Typ 1 Diabetes bei Kindern – Teil 1: Entstehung und Auswirkungen

Junge in der Natur

“Ihr Kind ist an Diabetes Typ 1 erkrankt.” Diese Aussage des Arztes oder der Ärztin verändert das Leben des betroffenen Kindes und seiner Angehörigen von einem Moment auf den anderen komplett. Wenn du als Elternteil oder nahestehende Person zunächst schockiert, fassungslos, hilflos oder verzweifelt bist, ist das absolut verständlich und vollkommen “normal”. Es braucht eine Weile, sich an die neuen Umstände zu gewöhnen, sie überhaupt erst einmal zu realisieren und zu akzeptieren. Gleichzeitig ist es elementar, dem Kind Stärke, Optimismus und überhaupt eine positive Einstellung zu vermitteln. Und weißt du was? Wenn du dich näher mit Diabetes Typ 1 beschäftigst und dir das nötige Know-how aneignest, wirst du schnell feststellen, dass dein kleiner Liebling auch mit der Stoffwechselerkrankung ein langes, erfülltes Leben führen kann – und das ist schließlich das Wichtigste. Mit dieser Erkenntnis fällt es dir hoffentlich leichter, dich an die neue Situation anzupassen. Zwar gilt es einiges zu beachten und zu lernen, doch mit jedem Tag gewinnt ihr als Familie an Erfahrung und Routine – bis der Diabetes “einfach” dazugehört.

Mit unserer zweiteiligen Blogserie zum Thema “Typ 1 Diabetes bei Kindern” wollen wir dir helfen, das Krankheitsbild besser zu verstehen und die zweifelsohne großen Herausforderungen, die damit verbunden sind, von Anfang an gut zu meistern. Das ist sowohl für dich und die anderen Angehörigen als auch für das betroffene Kind essenziell. Je ruhiger und souveräner ihr Erwachsenen im Beisein des Kindes mit der Diagnose umgeht, desto harmloser empfindet der Nachwuchs in der Regel seinen neuen Lebensbegleiter. Deshalb ist schon die erste Phase ungemein bedeutsam, vielleicht sogar prägend. Sie kann darüber entscheiden, was das Kind heute und in Zukunft mit seinem Diabetes assoziiert. Somit solltest du dich bemühen, deinem Liebling zu signalisieren: “Du kannst auch mit Diabetes Typ 1 alles erreichen, was du dir wünschst!” Das ist im Übrigen wirklich wahr. Ein hervorragender Beweis dafür sind erfolgreiche SpitzensportlerInnen wie Gewichtheber Matthias Steiner, der seit seinem 18. Lebensjahr Typ 1 Diabetes hat und sich seit 2008 sogar Olympiasieger nennen darf.

Im ersten Teil befassen wir uns mit der Entstehung von Diabetes Typ 1 bei Kindern, einschließlich typischer Warnzeichen und Möglichkeiten zur Früherkennung und Prävention. Außerdem sehen wir uns an, wie sich die Diagnose auf das Leben des Kindes und seiner Angehörigen auswirkt – in emotionaler und praktischer Hinsicht. Im zweiten Teil dreht sich dann alles um den Alltag mit Diabetes Typ 1 zu Hause, im Kindergarten und in der Schule.

Alles über die Entstehung von Diabetes Typ 1 bei Kindern

Vorbemerkung: Symptome, Diagnose und Therapie von Diabetes Typ 1 können bei Kindern und Erwachsenen sehr ähnlich sein. Auf unserer Wissensplattform findest du ausführliche Beiträge zu diesen Themen. Wir fassen hier nur kurz die wichtigsten Aspekte zusammen, damit du eine grundlegende Vorstellung von der Stoffwechselerkrankung hast, ohne erst einmal die anderen Artikel lesen zu müssen. Unser Fokus in diesem Beitrag liegt dann darauf, wie sich Diabetes Typ 1 auf das Leben des betroffenen Kindes und seiner Angehörigen auswirkt. 

Verbreitung von Typ 1 Diabetes bei Kindern

Diabetes Typ 1 ist die am weitesten verbreitete Stoffwechselerkrankung im Kindesalter. In Deutschland werden jedes Jahr etwa 3500 bis 4000 Kinder und Jugendliche unter 17 Jahren neu diagnostiziert. Zwar nehmen auch die Fälle von Typ 2 Diabetes bei Kids und vor allem Teenagern zu, doch bei über 90 Prozent aller Kinder, die von Diabetes betroffen sind, handelt es sich aktuell noch um Typ 1.

Ursachen von Typ 1 Diabetes bei Kindern

Bei beiden Diabetes-Varianten spielen genetische Faktoren eine wesentliche Rolle, doch im Gegensatz zu Diabetes Typ 2 ist Typ 1 Diabetes keine Folge des Lebensstils, sondern eine Autoimmunerkrankung: Das Immunsystem entwickelt Antikörper, die sich gegen die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse richten und diese nach und nach zerstören. Dadurch steht dem Körper mit der Zeit immer weniger Insulin zur Verfügung. Der Botenstoff ist jedoch lebensnotwendig. Er reguliert den Blutzucker, indem er die über die Nahrung aufgenommene Glukose aus dem Blut in die Körperzellen schleust, um diesen die benötigte Energie bereitzustellen. Ohne ausreichend Insulin verbleibt die Glukose im Blut. In der Folge steigt der Blutzucker mehr und mehr an, was verschiedene Symptome nach sich ziehen und lebensbedrohlich werden kann. Wodurch es zu diesem autoimmunen Prozess kommt, ist noch nicht abschließend geklärt. Doch ForscherInnen gehen davon aus, dass eine genetische Prädisposition in Verbindung mit bestimmten Umwelteinflüssen – beispielsweise Viruserkrankungen in der frühen Kindheit – zum Ausbruch von Diabetes Typ 1 führt. Erfahre hier mehr über die Ursachen von Typ 1 Diabetes.

Warnzeichen erkennen und ernst nehmen

Wird Diabetes Typ 1 lange nicht erkannt und somit nicht behandelt, bleibt der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht, was früher oder später in einer potenziell lebensbedrohlichen diabetischen Ketoazidose mündet. Zur Erklärung: Durch den Insulinmangel gelangt zu wenig Glukose in die Zellen. Um Letztere dennoch mit der benötigten Energie zu versorgen, baut der Körper vermehrt Fett ab. Dabei entstehen bestimmte Stoffwechselprodukte, sogenannte Ketonkörper, die sich im Blut anreichern und es übersäuern. Dies beeinträchtigt die normalen Körperfunktionen und kann unbehandelt zu Koma und Tod führen.

Zu Beginn merkt das betroffene Kind nichts davon, dass der Körper zu wenig Insulin produziert und viel Glukose im Blut verbleibt. Erst wenn der Großteil der insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört und der Blutzuckerspiegel sehr hoch ist, treten klare körperliche Symptome auf – und das dann auch sehr schnell, gemeinhin im Verlauf mehrerer Tage bis Wochen: Durch die hohe Blutglukose muss das Kind häufig und beträchtliche Mengen Wasser lassen. Möglicherweise nässt es das Bett ein oder kann tagsüber seine Blase nicht mehr kontrollieren. Ein Kleinkind, das noch nicht sauber ist, hat eventuell mehr nasse Windeln. Der enorme Flüssigkeitsverlust verursacht wiederum starken Durst, sodass das Kind oft und viel trinkt. Außerdem kann das intensive Wasserlassen zusammen mit dem weiter oben beschriebenen Fettabbau dazu führen, dass der Nachwuchs abnimmt. Die innere Austrocknung und die fehlende Energie machen das Kind müde und schlapp. Befinden sich übermäßig viele Ketonkörper im Blut, kommen mitunter auch noch Übelkeit und Erbrechen hinzu.

Hier die typischen Symptome bei Diabetes Typ 1 und ihre Ursachen noch einmal im Überblick:

  • häufiges Wasserlassen (durch das Ausscheiden von Glukose über die Nieren)

  • anhaltender, starker Durst (durch das vermehrte Wasserlassen)

  • Gewichtsabnahme (durch den Flüssigkeitsverlust und Fettabbau)

  • beständige Müdigkeit (durch die Austrocknung und fehlende Energie)

  • Übelkeit und Erbrechen (durch Ketonkörper im Blut)

  • süßlich-saurer Mundgeruch (durch die Ketone)

Wenn du mehrere dieser Warnzeichen bei deinem Kind wahrnimmst, solltest du umgehend mit ihm zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin. Denn mit jedem Tag, an dem der Blutzuckerspiegel erhöht ist, steigt das Risiko für eine diabetische Ketoazidose. Suche deshalb schon beim geringsten Verdacht auf Typ 1 Diabetes mit deinem Nachwuchs einen Arzt oder eine Ärztin auf. 

Anmerkung: Die Symptome sind oftmals so unspezifisch, dass selbst erfahrene MedizinerInnen teilweise nicht sofort an Diabetes Typ 1 denken und somit wichtige Untersuchungen in diese Richtung unterlassen. Daher raten wir dir, den Arzt oder die Ärztin bei Bedarf ein wenig "anzustupsen", beispielsweise so: “Ich habe gelesen, dass diese Symptome auf Diabetes Typ 1 hindeuten können. Lassen Sie uns das bitte abklären.”

Möglichkeiten zur Früherkennung und Prävention

Mittels Gentest ist schon bei Neugeborenen feststellbar, ob sie ein erhöhtes Risiko haben, einen Typ 1 Diabetes zu entwickeln. Ein paar wenige Blutstropfen des Babys, beispielsweise aus der Ferse, genügen bereits für die Untersuchung. Im Rahmen der Freder1k-Studie des Helmholtz-Instituts kannst du das Screening deutschlandweit kostenlos in Anspruch nehmen, sofern mindestens ein Eltern- oder Geschwisterteil des Säuglings von Diabetes Typ 1 betroffen ist. In Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen entfällt diese Voraussetzung. Das heißt, dass der Test in den genannten Bundesländern auch dann kostenfrei ist, wenn niemand aus der nahen Verwandtschaft einen diagnostizierten Typ 1 Diabetes hat.

Auch für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen einem und 21 Jahren bietet das Münchener Helmholtz-Institut eine gute Möglichkeit zur Früherkennung. Im Rahmen der Fr1da-Studie kannst du deinen Nachwuchs auf Antikörper testen lassen, die den weiter oben beschriebenen Autoimmunprozess in Gang setzen. Wiederum ist das Screening in ganz Deutschland kostenlos, wenn mindestens eine Person aus der nahen Verwandtschaft bereits mit Diabetes Typ 1 lebt. In Bayern, Sachsen, Niedersachsen und Hamburg fallen auch ohne betroffene Angehörige keine Kosten an.

Wenn das Screening keine Auffälligkeiten zeigt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass dein Kind im Laufe seines Lebens Diabetes Typ 1 entwickelt. Deutet der Test auf eine genetische Prädisposition hin, hat dein Nachwuchs hingegen ein erhöhtes Risiko, irgendwann an Typ 1 Diabetes zu erkranken. Und sind im Blut bestimmte Antikörper nachweisbar, bricht die Stoffwechselerkrankung wahrscheinlich in absehbarer Zeit – also in den nächsten Jahren – aus. 

Diese Ergebnisse können zunächst ungeheuer belastend sein, weshalb immer noch viele Eltern zögern, mit ihren Kindern an den Screenings teilzunehmen. Doch versuch es positiv zu sehen: Je früher du Bescheid weißt, desto mehr Zeit hast du, dich und dein Kind auf das Leben mit Diabetes Typ 1 vorzubereiten. Und was am wichtigsten ist: Mit dem Wissen fällt es leichter, typische Symptome zu erkennen und richtig zu handeln, was hilft, eine diabetische Ketoazidose zu verhindern.

Gemäß ersten Ergebnissen der Fr1da-Studie reduziert die Früherkennung die Häufigkeit des Auftretens einer diabetischen Ketoazidose deutlich – von über 20 auf unter 2,5 Prozent. Außerdem liegt der durchschnittliche HbA1c-Wert zum Zeitpunkt der Diagnose ohne Früherkennung bei über 10 und mit Früherkennung bei unter 7 – eine andere Welt.

Neben den Screenings wirkt sich auch eine frühzeitige Aufklärung über Diabetes Typ 1 positiv aus: Sie hilft, schweren Komplikationen bei der Diagnose vorzubeugen, weil Informierte Symptome besser erkennen und einschätzen können. Zu dieser Erkenntnis ist ein Forschungsprojekt des Klinikums Stuttgart unter der Leitung von Dr. Martin Holder und Prof. Dr. Reinhard Holl gekommen, bei dem über mehrere Jahre gezielte Aufklärungskampagnen in Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen durchgeführt wurden. Unter anderem durch diese Maßnahmen gingen der Diagnosestellung bis zu 50 Prozent weniger diabetische Ketoazidosen voraus.

Wissenschaftlich überprüfte und/oder medizinisch zugelassene und anwendbare Möglichkeiten, Diabetes Typ 1 vorzubeugen, existieren in Deutschland bislang leider noch nicht. Allerdings wird unermüdlich geforscht. Beispielsweise prüfen WissenschaftlerInnen seit einigen Jahren Therapien beziehungsweise Medikamente, mit denen der Beginn von Typ 1 Diabetes eventuell verhindert oder zumindest verzögert werden könnte. In den USA ist bereits ein erstes Medikament zugelassen, das den Ausbruch um mehrere Jahre verzögern soll. Wenn es dazu ganz konkrete Erkenntnisse oder Entwicklungen für Deutschland gibt, werden wir selbstverständlich darüber berichten.

Diagnose von Diabetes Typ 1 bei Kindern

Zeigt dein Kind die typischen Symptome oder wird bei einer Routineuntersuchung Glukose im Urin nachgewiesen, führt der Arzt oder die Ärztin verschiedene Untersuchungen durch, um festzustellen, ob bei deinem Kind Diabetes Typ 1 vorliegt:

  • Blutzuckertests (beliebiger Zeitpunkt – “Gelegenheitsglukose” – plus nüchtern – “Nüchternglukose”)

  • HbA1c-Test

  • Oraler Glukosetoleranztest

  • Antikörpertests


Übrigens: Wird bei deinem Kind Diabetes Typ 1 diagnostiziert, untersucht der Arzt oder die Ärztin das Blut deines Lieblings normalerweise auch noch auf andere Autoimmunerkrankungen wie Zöliakie (Darmentzündung durch Glutenunverträglichkeit) und Hashimoto Thyreoiditis (Schilddrüsenunterfunktion).

Wie geht es nach der Diagnose weiter?

Hat der Arzt oder die Ärztin bei deinem Kind Diabetes Typ 1 festgestellt, weist er oder sie es in der Regel in ein Krankenhaus mit kinderdiabetologischem Schwerpunkt ein. Dort erhält es Insulin und im Falle einer Dehydratation auch viel Flüssigkeit. Insulin ist von nun an täglich erforderlich, um den Blutzucker zu regulieren. Die Insulintherapie wird gemeinhin im Krankenhaus begonnen, damit die Ärzte oder Ärztinnen den Blutzuckerspiegel regelmäßig testen und die Insulindosis entsprechend anpassen können. Zusammen mit den Eltern und eventuell auch dem Nachwuchs arbeitet das medizinische Personal die beste Behandlung aus. Vor Ort erfolgt oft auch noch eine Beratung durch Ernährungs- und BewegungsexpertInnen, die bemüht sind, der betroffenen Familie die Grundlagen des Blutzuckermanagements möglichst einfach und verständlich nahezubringen. Der stationäre Aufenthalt dauert meist sieben bis zehn Tage. Danach werden die Checks ambulant durchgeführt – anfangs monatlich, später quartalsweise.

Lebenserwartung von Kindern mit Typ 1 Diabetes

Gute Nachrichten: Dank moderner Therapiemöglichkeiten haben Menschen mit Typ 1 Diabetes heute eine ähnliche Lebenserwartung wie nicht betroffene Personen – vorausgesetzt, die Stoffwechselerkrankung wird früh erkannt und lebenslang gut behandelt.

Auswirkungen von Typ 1 Diabetes auf das Leben des betroffenen Kindes und seiner Angehörigen

Die Diagnose Diabetes Typ 1 hat weitreichende Auswirkungen auf das Leben des betroffenen Kindes und seiner Angehörigen. Doch wenn ihr Erwachsenen euch gut abstimmt und den Nachwuchs behutsam mit seinem neuen “Gefährten” vertraut macht, kann euer Liebling an allem teilnehmen, was andere Kinder tun, und überhaupt eine erfüllte Kindheit genießen. Gleichzeitig schützt euch Bezugspersonen ein gut durchdachter Alltag mit einer sinnvollen Aufgabenverteilung vor physischer und/oder psychischer Überlastung. Doch eins nach dem anderen. Sehen wir uns zunächst die größten Einschränkungen und Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven an.

Einschränkungen und Herausforderungen

… aus Sicht des Kindes

So seltsam es klingen mag: Obwohl das Kind der unmittelbar betroffene Mensch ist, fällt es ihm oft am leichtesten, mit der neuen Situation umzugehen. Dies liegt vor allem an der typisch kindlichen “Sorglosigkeit”. Der Nachwuchs denkt nicht so viel über mögliche Konsequenzen nach, sondern nimmt die Dinge erst einmal so an, wie sie sind. Aber: Das bedeutet nicht, dass die Diagnose und die damit verbundenen Veränderungen deinem Kind keine Angst machen können. Letztlich ist jedes Geschöpf individuell. Achte auf die Signale deines Lieblings und gehe liebevoll-empathisch auf seine Gefühlswelt ein.

Plötzlich bekommt es täglich Injektionen und trägt vielleicht dauerhaft eine Insulinpumpe mit Katheter und einen CGM-Sensor am Körper. Daran muss sich dein Kind erst einmal gewöhnen. Das kann sehr schnell gehen, aber auch eine Weile dauern. Oftmals ist das Akzeptieren dieser therapeutischen Maßnahmen aber nicht die größte Herausforderung – viele Kids haben mehr damit zu kämpfen, nicht so uneingeschränkt frei sein und agieren zu können wie die Gleichaltrigen ohne Diabetes. Wenn beispielsweise zum Schulausflug die Mama oder der Papa mitkommen muss, um den Blutzucker zu kontrollieren, ist das dem betroffenen Kind oft unangenehm. Und auch wenn wir es ungern erwähnen: Mobbing kann ein Problem werden, genauso wie die Abstimmung mit Kita, Schule, Sportverein, Verwandten oder Eltern anderer Kinder. Aber: Es gibt Möglichkeiten, dem von vornherein gezielt vorzubeugen. Mehr dazu im zweiten Teil unserer Blogserie.    

… aus Sicht der Eltern

Zwar entspricht die Therapie von Diabetes Typ 1 bei Kindern im Großen und Ganzen den Maßnahmen bei Erwachsenen; allerdings kann es bei Kids komplizierter sein, die Stoffwechselerkrankung in den Griff zu bekommen. Die Behandlung muss nicht “nur” an die ständigen Änderungen in Bezug auf die Nahrungsaufnahme, Bewegung und Stress angepasst werden, sondern immer auch die körperliche und emotionale Reife des Kindes einbeziehen. Das impliziert, dass Eltern und andere erwachsene Bezugspersonen lange Zeit mehr oder weniger die gesamte Verantwortung für das Diabetes-Management beim Kind tragen. Häufig muss ein Elternteil beruflich kürzer treten und/oder bestimmte Hobbies ein Stück weit zurückschrauben, um sich intensiv um den Nachwuchs kümmern zu können, der rund um die Uhr in irgendeiner Form betreut werden sollte. Weitere potenzielle Schwierigkeiten sind die teils geringen Insulinmengen, das fehlende Körpergefühl der Eltern beziehungsweise die nicht vorhandene oder noch wenig differenzierte Sprachfähigkeit des Babys oder Kleinkindes.

Diese Konsequenzen und Problematiken fordern praktisch und emotional enorm heraus. Sie können dich und die anderen involvierten Angehörigen immer wieder an die körperlichen und/oder psychischen Grenzen bringen. Nicht zu vergessen, dass auch der grundlegende Umgang damit, dass das eigene Kind nun für immer mit einer chronischen Erkrankung leben muss, meist eine massive Belastung darstellt. Um allzu starke negative Auswirkungen zu verhindern, solltet ihr als Familie fest zusammenhalten und euch von Anfang an umfassend unterstützen lassen – durch ein erfahrenes, auf Kinder spezialisiertes Diabetes-Team und eventuell auch durch eine Selbsthilfegruppe, die aus Angehörigen von Kindern mit Diabetes Typ 1 besteht, mit denen ihr euch austauschen könnt.

… aus Sicht der Geschwister

Geschwister von Kindern mit Diabetes Typ 1 müssen lernen zu verstehen, dass der Bruder oder die Schwester gesundheitlich etwas eingeschränkt ist und deshalb zum einen ihre Rücksichtnahme und Unterstützung braucht und zum anderen vermehrt die Aufmerksamkeit der Eltern benötigt. Das richtig zu interpretieren, kann schwierig sein. Gerade jüngere Kinder fühlen sich schnell vernachlässigt, wenn sich der Alltag vorrangig um das Geschwisterchen mit Diabetes dreht. Um das zu verhindern, ist vor allem eine gute, kindgerechte Kommunikation der Eltern gefragt – mehr dazu in Teil 2.

… aus Sicht der Freunde und Freundinnen

Für die Freunde und Freundinnen von Kindern mit Diabetes Typ 1 gilt Ähnliches wie für die Geschwister – mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie nicht um die Aufmerksamkeit der Eltern "konkurrieren" müssen. Doch schon allein das Verstehen und Akzeptieren, dass da etwas Bestimmtes im Körper des Spielgefährten oder der Spielgefährtin vor sich geht, auf das geachtet werden muss, ist in jungen Jahren eine große Herausforderung. Auch hier kommt es auf eine gute, kindgerechte Kommunikation an. Wichtig ist zudem, den Eltern der SpielkameradInnen nicht zu viel Verantwortung aufzubürden.

Warum Insulin und Blutzuckerkontrolle wichtig sind

Wie bei Erwachsenen zielt die Behandlung von Diabetes Typ 1 auch bei Kindern darauf ab, das Insulin, das der Körper nicht mehr selbst produzieren kann, von außen zuzuführen, um den Blutzucker zu regulieren. Durch tägliche Injektionen in der richtigen Dosierung steht dem Organismus wieder eine ausreichende Menge des Botenstoffes zur Verfügung, um die Körperzellen mit Glukose und in der Folge Energie zu versorgen. Die erforderliche Dosis variiert von Kind zu Kind beziehungsweise allgemein von Person zu Person. Zudem spielen die Tageszeit, die Menge der aufgenommenen Kohlenhydrate, Fette und Proteine sowie die körperliche Aktivität eine zentrale Rolle. Auch andere Faktoren, etwa Stress oder Infektionen, beeinflussen den Insulinbedarf. Auf unserer Wissensplattform findest du zahlreiche Informationen zu all dem. Für einen grundlegenden Überblick empfehlen wir dir unseren Beitrag über das Leben mit Diabetes Typ 1. Von dort gelangst du zu weiteren Artikeln, in denen du immer spezifischere Details erfährst.

Kurz gesagt: Um einzuschätzen, wie viel Insulin in welchem Moment erforderlich ist, gilt es den Blutzuckerspiegel kontinuierlich im Blick zu behalten, also regelmäßig zu messen. Dafür gibt es heutzutage glücklicherweise sehr unkomplizierte, automatisierte Methoden, die allen Beteiligten – sprich dem betroffenen Kind und den Angehörigen – den Alltag mit Diabetes Typ 1 enorm erleichtern. Im Idealfall sind das Blutzucker messen und Insulin spritzen so gut abgestimmt, dass der Glukosespiegel jeden Tag mindestens 70 Prozent der Zeit im individuell für das Kind festgelegten Zielbereich liegt. Man bezeichnet dies fachsprachlich als Time in Range. Mehr darüber erzählen wir dir in unserem Artikel “HbA1c vs. Time in Range”. Je länger der Blutzucker in der anvisierten “Range” bleibt, desto besser ist es für das aktuelle Wohlbefinden und die langfristige Gesundheit deines Kindes.

Im Endeffekt geht es vor allem darum, Phasen außerhalb des Zielbereiches so weit wie möglich zu vermeiden. Schießt der Blutzuckerwert über die festgelegte Range hinaus, spricht man von einer Überzuckerung oder Hyperglykämie. Sinkt die Blutglukose unter die Untergrenze der Range, ist von einer Unterzuckerung oder Hypoglykämie die Rede. Über- und Unterzuckerungen können akut leichte bis sehr schwere Symptome verursachen und im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden, weshalb sofort gegengesteuert werden muss, wenn das Kind über- oder unterzuckert ist. Häufige Über- und/oder Unterzuckerungen erhöhen außerdem das Risiko für potenziell schwerwiegende diabetische Folgeerkrankungen an Augen, Nieren, Nerven, Herz und Gehirn infolge der Schädigung der kleinen und großen Blutgefäße. Deshalb ist es unsagbar wichtig, dass der Blutzucker so selten wie möglich aus der Range herausfällt. Mit einem guten Diabetes- beziehungsweise Blutzuckermanagement gelingt euch das.

Welche Rolle die Ernährung spielt

Die Ernährung ist bei Typ 1 Diabetes in mehrerlei Hinsicht extrem relevant. Zum einen beeinflusst sie die zu verabreichenden Insulindosen. Kurz zusammengefasst: Je mehr Kohlenhydrate, Fette und Proteine dein Kind zu sich nimmt, desto mehr Glukose nimmt es auf und desto mehr Insulin ist erforderlich. Du musst vor jeder Mahlzeit die Mengen der drei “großen Nährstoffe” berechnen beziehungsweise abschätzen, um die entsprechende Insulindosis zu ermitteln. Zum anderen kann eine gesunde, ausgewogene Ernährung ein gutes Blutzuckermanagement unterstützen. Denn Lebensmittel beeinflussen den Blutzucker. Beispielsweise bringen Fast Food und überhaupt stark Verarbeitetes den Glukosespiegel schnell aus dem Gleichgewicht, während Frisches und Ballaststoffreiches genau gegenteilig – nämlich harmonisierend – wirken und helfen, den Blutzucker leichter und längere Zeit im Zielbereich zu halten. Einfach ausgedrückt: Mit einer förderlichen Ernährung geht es deinem Kind besser – jetzt und in Zukunft. Auf unserer Wissensplattform erwarten dich zahlreiche Beiträge zum Thema Ernährung bei Diabetes Typ 1. Alles, was in diesen Artikeln steht, gilt für Kinder ebenso wie für Erwachsene.

Diabetes-Technik bei Kindern

Kinder können mit der gleichen Diabetes-Technik therapiert werden wie Erwachsene. Zu beachten sind hier nur die Zulassungsbeschränkungen je nach Alter des Kindes. Den Blutzucker kannst du bei deinem Liebling entweder mit einem klassischen Blutzuckermessgerät oder aber mit einem modernen CGM-System messen und überwachen. Letzteres ist dabei mittlerweile auch für die Therapie von Kindern mit Diabetes Typ 1 die präferierte Lösung. CGM steht für “Continuous Glucose Monitoring". Dabei trägt der Nachwuchs einen kleinen Sensor an Bauch oder Arm, der alle zehn bis 14 Tage frisch auf die Haut geklebt wird. Er reicht mit einem hauchdünnen Faden wenige Millimeter unter die Haut ins Unterhautfettgewebe. Diesen Sensor spürt das Kind – außer beim Anbringen oder bei Hautunverträglichkeiten – nicht im Geringsten. Automatisch ermittelt er alle paar Minuten den aktuellen Gewebezuckerwert und sendet die Daten an ein Empfangsgerät, gemeinhin ein Smartphone, auf dem die entsprechende App installiert ist. So kannst du den Glukosespiegel deines Kindes permanent über dein Mobiltelefon überwachen. Bei der Messung mit einem herkömmlichen Blutzuckermessgerät bekommt das Kind jedes Mal einen Pieks in die Fingerbeere. Das Messgerät ermittelt dann anhand des entnommenen Bluttropfens den Blutzuckerwert. Wir erwähnen das nur der Vollständigkeit halber, denn so gut wie jedes Kind mit Typ 1 Diabetes bevorzugt ein CGM-System. 

Zum Insulin spritzen stehen Pen und Pumpe als Optionen zur Wahl. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile, auf die wir in unserem Beitrag über die Therapie bei Diabetes Typ 1 detailliert eingehen. Finde heraus, mit welcher Variante sich dein Kind wohler fühlt. Dieser Aspekt sollte letzten Endes den Ausschlag geben. Es sei jedoch dazugesagt, dass sich gerade im Kindergarten- und Schulalltag oftmals die Pumpentherapie bewährt, weil sie bei der Nutzung eines hybriden Closed-Loop-Systems auch von außen beziehungsweise “aus der Ferne” steuer- und kontrollierbar ist. Bei einem solchen System kommuniziert ein CGM-Sensor ständig mit der Insulinpumpe – und die Smartphone-App fungiert sozusagen als Vermittler oder Übersetzer. Genauer: Auf Basis der vom CGM-Sensor ermittelten und an die App gesendeten Gewebezuckerwerte gibt die Insulinpumpe stets die passende Menge Insulin in den Körper des Kindes ab. Zwar müssen die Insulingaben zu Mahlzeiten manuell initiiert werden, doch den Blutzuckerverlauf kannst du auch verfolgen, wenn du dich gerade nicht in unmittelbarer Nähe deines Kindes aufhältst. Beispiel: Dein Kind ist in der Schule und hat gerade große Pause, in der es das von dir vorbereitete Vollkornsandwich isst. Vom Büro aus verfolgst du via Smartphone-App die Verläufe und teilst deinem Kind die erforderliche Insulinmenge mit, die es dann nach Absprache abgibt.

Die Notwendigkeit einer guten ärztlichen Betreuung

Eine gute, engmaschige ärztliche Betreuung ist ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Behandlung von Diabetes Typ 1 bei deinem Kind. Es empfiehlt sich, den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin mehrmals im Jahr zu besuchen, damit er oder sie die von euch Erwachsenen dokumentierten Blutzuckerwerte prüfen sowie das Wachstum und die Entwicklung des Kindes bewerten kann. Die medizinische Fachkraft gibt euch gegebenenfalls Ratschläge zur Optimierung der Therapie und misst den Langzeitblutzucker, sprich den HbA1c-Wert, der den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten acht bis zwölf Wochen repräsentiert. Zudem solltet ihr euer Kind jedes Jahr vorsorglich in Bezug auf langfristige Komplikationen, also diabetische Folgeerkrankungen, untersuchen lassen, um bei Bedarf frühzeitig eingreifen und Schlimmeres verhindern zu können.

Weiter geht es in Teil 2 unserer Blogserie. Dort geben wir dir zahlreiche nützliche Tipps für den Alltag zu Hause, im Kindergarten und in der Schule.

Weitere Artikel