HbA1c-Wert vs. Time in Range: Bedeutung, Messung und Einflussfaktoren

Der HbA1c-Wert und die Time in Range sind wichtige Parameter für die Diabetes-Therapie. Sie helfen dir und deinem Diabetes-Team dabei, dein Diabetes-Management zu beurteilen, also einzuschätzen, ob die therapeutischen Maßnahmen fruchten und du deinen Blutzucker gut unter Kontrolle hast. Der HbA1c-Wert ist zudem ein bedeutsames Diagnosekriterium für Diabetes – ob Typ 1, Typ 2 oder eine andere Form.

Auf all das gehen wir in diesem Beitrag umfassend ein. Wir stellen den HbA1c-Wert und die Time in Range detailliert vor. Dabei legen wir den Fokus auf den therapeutischen – und im Falle des HbA1c auch den diagnostischen – Nutzen, befassen uns aber auch mit den Schwächen und Limitationen der beiden Parameter. Im Zuge des abschließenden Vergleichs von HbA1c und Time in Range klären wir, welcher Wert letztlich relevanter ist – und warum.  

Alles über den HbA1c-Wert

Der HbA1c-Wert wird auch als Langzeitzucker oder Blutzuckergedächtnis bezeichnet. Er gibt Aufschluss über den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel (Glukosekonzentration im Blut) der letzten zwei bis drei Monate. Prinzipiell gilt:

  • Eine hohe durchschnittliche Glukosekonzentration im Blut geht mit einem hohen HbA1c-Wert einher. Umgekehrt zieht eine niedrige durchschnittliche Glukosekonzentration im Blut einen niedrigen HbA1c-Wert nach sich. Oder anders formuliert: Je häufiger, länger und stärker der Blutzucker erhöht ist, desto höher fällt der HbA1c-Wert aus. Und je seltener, kürzer und geringer die Blutzuckererhöhung, desto niedriger der HbA1c-Wert. 

  • Ein hoher HbA1c-Wert deutet auf eine unzureichende Blutzuckerkontrolle hin. Demgegenüber kann ein niedriger HbA1c-Wert ein Zeichen dafür sein, dass du deinen Blutzucker grundsätzlich gut im Griff hast und die Diabetes-Therapie wie gewünscht anschlägt. Dieser Aspekt ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. Warum, darauf kommen wir weiter unten noch zu sprechen.

  • Je schlechter die Blutzuckerkontrolle funktioniert, desto höher ist das Risiko für diabetische Frühkomplikationen (Überzuckerung, Ketoazidose, Unterzuckerung) und Folgeerkrankungen. Umgekehrt trägt eine gute Blutzuckerkontrolle dazu bei, schwerwiegenden Folgen von Diabetes vorzubeugen.

Soweit die Basics. Wir befassen uns im Folgenden ausführlicher mit jedem dieser Aspekte. Zuvor wollen wir aber noch erklären, wie HbA1c im Körper entsteht und was es mit dem komischen Begriff auf sich hat. Schlüsseln wir zunächst die eigenartige Buchstaben-Zahlen-Kombination auf:

Hb = Hämoglobin, der Farbstoff in den roten Blutkörperchen, der dafür zuständig ist, Sauerstoff durch den Organismus zu transportieren

HbA = adultes Hämoglobin, die bei Erwachsenen übliche Form des Hämoglobins (es gibt noch andere Formen, beispielsweise ist HbF – fetales Hämoglobin – die vorherrschende Form bei Säuglingen, während etwa HbS und einige weitere Varianten für fehlerhafte Hämoglobinmoleküle stehen)

HbA1c = das “verzuckerte” – fachsprachlich: glykierte – HbA

Im Detail: Beim Essen und teilweise auch beim Trinken nimmst du Glukose (“Zucker”, die wichtigste Energiequelle des Körpers) auf, die zunächst im Blut “herumschwimmt” und dann mithilfe des Hormons Insulin in die Körperzellen gelangt, um diese mit Energie zu versorgen. Allerdings kann es vorkommen, dass mehr oder weniger viel Glukose im Blut verbleibt, beispielsweise weil sich bereits genügend Zucker in den Zellen befindet oder weil – wie bei den verschiedenen Diabetes-Typen – der Blutzuckerstoffwechsel gestört ist. Die überschüssige Glukose im Blut dockt an die Hämoglobinmoleküle an – das Hämoglobin erhält also sozusagen einen “Zuckerguss”. Dieser Prozess heißt Verzuckerung – im Fachjargon Glykierung – und ist die Grundlage für den HbA1c-Wert.

Hat sich die Glukose einmal an die Hämoglobinmoleküle geklammert, bleibt diese Verbindung für die gesamte Lebensdauer der roten Blutkörperchen (und damit auch des Hämoglobins) bestehen. Da die roten Blutkörperchen ungefähr zwei bis drei Monate leben, bevor sie in der Milz, in der Leber und im Knochenmark von Fresszellen abgebaut werden, lässt sich vom gemessenen HbA1c-Wert auf die durchschnittliche Glukosekonzentration der letzten acht bis zwölf Wochen schließen. Das Knochenmark bildet immer wieder neue rote Blutkörperchen, sodass der beschriebene Vorgang alle paar Monate von vorn beginnt.

Bedeutung des HbA1c-Wertes für die Diabetes-Diagnostik und Diabetes-Therapie

Als Blutzuckerlangzeitwert, der den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel über einen längeren Zeitraum abbildet, ist HbA1c sowohl für die Diabetes-Diagnostik als auch für die Diabetes-Therapie relevant. Er hilft Medizinern und Medizinerinnen, festzustellen, ob bei der untersuchten Person Diabetes vorliegt oder nicht, und gehört diesbezüglich zu den wichtigsten Werten (die anderen sind der Kurzzeitblutzucker aus der klassischen Blutzuckermessung, der Nüchternblutzucker und das Ergebnis des oralen Glukosetoleranztests, kurz oGTT; mehr dazu erfährst du in unserem Beitrag “Diagnose Diabetes Typ 1”). Je nachdem, wie hoch der gemessene HbA1c-Wert ist, signalisiert er:

  • dass kein Diabetes vorliegt,

  • einen Prädiabetes beziehungsweise ein erhöhtes Risiko für die untersuchte Person, in den nächsten Jahren an Diabetes Typ 2 zu erkranken, oder

  • dass die untersuchte Person mit großer Wahrscheinlichkeit Diabetes hat.

Außerdem kann der HbA1c-Wert herangezogen werden, um den Therapieverlauf zu beurteilen und das Risiko für mögliche Früh- und Spätkomplikationen einzuschätzen. Er dient als Anhaltspunkt dafür, ob dein Diabetes gut eingestellt ist oder die Therapie nachgebessert werden muss. Dein Arzt oder deine Ärztin testet den Langzeitzucker üblicherweise alle drei bis sechs Monate. Er oder sie nimmt dir zu diesem Zweck Blut aus der Vene ab und schickt die Probe zur Bestimmung des HbA1c-Wertes ins Labor.

Praktisch: Da es sich beim HbA1c um einen Mittelwert handelt, der durch eine kurzfristige Blutzuckererhöhung so gut wie gar nicht beeinflusst wird, spielt es keine Rolle, ob du vor der Messung etwas gegessen hast oder nicht. Auch die Tageszeit ist für den Test unerheblich.

Wie du siehst, bietet der HbA1c-Wert durchaus Vorteile im Hinblick auf die Diagnose und Therapie von Diabetes; allerdings hat er auch klare Schwächen – insbesondere im therapeutischen Kontext, aber auch in Bezug auf die Diagnostik. Auf diese Limitationen gehen wir im nächsten Abschnitt näher ein.

Schwächen und Limitationen des HbA1c-Wertes

Verschiedene Zustände können den HbA1c-Wert verfälschen und damit seine Aussagekraft mindern oder sogar ganz aushebeln:

  • Hämoglobinvarianten (HbS, HbE, HbF, HbC, HbD etc.)

  • veränderte Lebensdauer der roten Blutkörperchen, z.B. durch Eisenmangel, Leber- oder Nierenerkrankungen

  • chemische Hämoglobinmodifikationen (carbamyeliertes Hämoglobin bei Urämie, acetyliertes Hämoglobin bei hochdosierter Dauertherapie mit Acetylsalicylsäure)

  • gehemmte Glykierung, z.B. bei Dauertherapie mit Ascorbinsäure oder Vitamin E

  • Schwangerschaft

Unter einer oder mehreren dieser Voraussetzungen ist der HbA1c-Wert kein geeigneter Parameter, um eine Diabetes-Diagnose zu stellen oder den therapeutischen Erfolg zu beurteilen.

HbA1c-Werte und ihre Interpretationen

Der HbA1c-Wert wird gemäß NGSP (National Glycohemoglobin Standardisation Program) in Prozent angegeben. In dieser Einheit spiegelt er den durchschnittlichen Anteil der Hämoglobinmoleküle im Blut wider, die in den vergangenen zwei bis drei Monaten verzuckert waren.

Beispiel: Ein HbA1c-Wert von 7 % sagt aus, dass in den letzten acht bis zwölf Wochen durchschnittlich sieben Prozent der Hämoglobinmoleküle verzuckert waren.

International ist seit 2008 gemäß IFCC (International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine) auch die Angabe in Millimol pro Mol, kurz mmol/mol, gebräuchlich. Hier die Formeln für die Umrechnung zwischen den Einheiten im Überblick:

  1. Von HbA1c % in HbA1c mmol/mol: (HbA1c in % – 2,15) * 10,929 = HbA1c mmol/mol

  2. Von HbA1c mmol/mol in HbA1c %: (HbA1c mmol/mol / 10,929) + 2,15 = HbA1c %

Beispiel: Ein HbA1c-Wert von 7 % entspricht ungefähr 53 mmol/mol.

Die folgende Tabelle zeigt die standardisierten HbA1c-Werte samt Interpretationen laut den DDG- und internationalen Leitlinien:

HbA1c-Wert in %HbA1c-Wert in mmol/molInterpretation
< 5,7 %< 39 mmol/molKEIN Diabetes
5,7 bis 6,4 %39 bis 47 mmol/molPrädiabetes
ab 6,5 %ab 48 mmol/molDiabetes
< 7,5 %< 58 mmol/molZielwert für Menschen mit Diabetes*

* Beachte, dass dieser standardisierte HbA1c-Zielwert nicht zwangsläufig für alle Menschen mit Diabetes gilt. Tatsächlich hat jeder und jede Betroffene einen eigenen Zielwert, der noch dazu von Lebenssituation zu Lebenssituation variieren kann. Wesentliche Faktoren sind etwa das Alter, die Diabetes-Dauer, die allgemeine gesundheitliche Verfassung – Stichwort Begleiterkrankungen – und der Lebensstil. Lege deinen individuellen HbA1c-Zielwert gemeinsam mit deinem Diabetes-Team fest.

HbA1c-Wert vs. “einfache” Blutzuckermessung

Bei der “einfachen” Blutzuckermessung – ob klassisch mit einem Blutzuckermessgerät und dem Pieks in die seitliche Fingerspitze oder modern mit einem CGM-Sensor unter der Haut und einer App – ermittelst du deinen aktuellen Blutzuckerspiegel. Der gemessene Blutzuckerwert ist somit eine Momentaufnahme, weshalb man manchmal auch vom Kurzzeitzucker spricht. Wenn du mehrmals am Tag deinen Blutzuckerspiegel misst, kannst du dabei ganz unterschiedliche Resultate erhalten, weil der Blutzucker im Tagesverlauf schwankt – bei Menschen mit ebenso wie bei Personen ohne Diabetes. Das ist völlig normal.

Demgegenüber repräsentiert der HbA1c-Wert den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel über einen längeren Zeitraum hinweg. Er ist ein nützlicher Parameter zur Langzeitkontrolle des Blutzuckers, sollte aufgrund der weiter oben beschriebenen Schwächen und Limitationen aber keinesfalls die täglichen Status-quo-Messungen ersetzen. Diese sind elementar, um Über- und Unterzuckerungen frühzeitig zu erkennen und bei Bedarf gegensteuern zu können – sowohl in der jeweiligen Akutsituation als auch gegebenenfalls längerfristig in Form einer Therapieanpassung, um weitere Komplikationen zukünftig möglichst zu verhindern.

Welche Faktoren den HbA1c-Wert beeinflussen

Der HbA1c-Wert wird durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst. Hier die wichtigsten im Überblick:

  • Blutzuckereinstellung (bei einem bereits diagnostizierten Diabetes)

  • sonstiger Gesundheitszustand (insbesondere andere Erkrankungen oder Eisenmangel können sich auswirken) 

  • Ernährung

  • Stress

  • Bewegung

  • Schlaf

  • Rauchen und Alkohol

In der Regel ist der HbA1c-Wert umso niedriger, je besser du auf deinen Diabetes eingestellt bist. Anders ausgedrückt: Ein gutes Diabetes-Management – wenige Über- und Unterzuckerungen und keine starken Blutzuckerschwankungen – geht normalerweise auch mit einem guten HbA1c-Wert einher. Umgekehrt gilt: Je instabiler dein Blutzuckerspiegel, desto höher ist gemeinhin auch der HbA1c-Wert (außer die Über- und Unterzuckerungen heben sich gegenseitig auf und täuschen einen relativ niedrigen HbA1c-Wert vor…).

Dein sonstiger Gesundheitszustand kann sich ebenfalls auf den Langzeitblutzucker auswirken. Wenn du beispielsweise einen Eisenmangel hast, verlängert das mitunter die Lebensdauer der roten Blutkörperchen, was eventuell einen erhöhten HbA1c-Wert nach sich zieht. Auch andere Erkrankungen, etwa der Nieren oder der Leber, können das Messergebnis beeinflussen – und verfälschen (siehe oben im Abschnitt zu den Limitationen).

Eine wenig ausgewogene, eher ungesunde Ernährung mit vielen stark verarbeiteten Lebensmitteln (“Fast Food”, Weißmehlprodukte, herkömmliche Süßigkeiten) treibt den Blutzucker und damit den HbA1c-Wert in die Höhe. Demgegenüber kann eine ausgewogene, gesunde Ernährung mit vielen frischen und “natürlichen” (als Gegenstück zu stark verarbeiteten) Lebensmitteln wie Gemüse, Obst und Vollkorngetreide dazu beitragen, den Langzeitblutzuckerwert dauerhaft in den grünen Bereich zu bringen. 

Fühlst du dich häufiger gestresst, schüttet dein Körper vermehrt Stresshormone wie Kortisol und Adrenalin aus. Sie lassen deinen Blutzuckerspiegel ansteigen – und in der Folge auch den HbA1c-Wert.

Regelmäßige Bewegung kann den HbA1c-Wert positiv beeinflussen, denn sie erhöht den Energieverbrauch, verbrennt mehr Glukose und verbessert die Insulinwirkung. Demgegenüber führt starker Bewegungsmangel vielfach zu einem erhöhten HbA1c-Wert und ist ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung von Diabetes Typ 2, zusätzlich zur genetischen Veranlagung.

Permanenter Schlafmangel und überhaupt schlechter Schlaf können die Insulinempfindlichkeit der Zellen vermindern und dadurch den Blutzuckerspiegel sowie den HbA1c-Wert erhöhen.

Rauchen und exzessiver Alkoholkonsum sind Gift für den Körper – und kontraproduktiv für einen guten Langzeitblutzucker.  

Wie du den HbA1c-Wert senken kannst

Die zuvor beschriebenen Einflussfaktoren zeigen deutlich, wie du einen (zu) hohen HbA1c-Wert senken kannst. Wir fassen die entscheidenden Punkte noch einmal kurz für dich zusammen:

  • Lege größten Wert auf ein gutes Diabetes-Management. Finde gemeinsam mit deinem Diabetes-Team die für deine individuellen Voraussetzungen idealen Therapiemaßnahmen und halte dich konsequent an sie, um starke Blutzuckerschwankungen sowie Über- und Unterzuckerungen zu vermeiden. Bedeutsame Aspekte sind unter anderem die Diabetes-Technik (Pen oder Pumpe, CGM-System) und die Insulindosierungen. In unserem Beitrag zur Therapie bei Typ 1 Diabetes erfährst du mehr.

  • Ernähre dich bunt und ballaststoffreich – mit viel Gemüse, Obst, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten – und verzichte auf stark verarbeitete Lebensmittel. Zum Thema Ernährung bei Diabetes Typ 1 findest du auf unserer Wissensplattform zahlreiche informative Artikel.

  • Halte Stress von dir fern, soweit das eben möglich ist. Und für die Momente, in denen er sich nicht vermeiden lässt, eignest du dir am besten ein paar für dich funktionierende Stressbewältigungsstrategien an. Das können Meditation und andere Entspannungsübungen sein, aber auch Sport und sonstige Beschäftigungen, die dir helfen, Stress abzubauen.

  • Bewege dich jeden Tag mindestens eine halbe Stunde lang. Keine Sorge, es zählt nicht nur hochintensiver Sport, sondern auch Alltägliches wie Haus- und Gartenarbeit, zu Fuß einkaufen gehen, Treppensteigen, eine (große) Runde durch den Lieblingspark oder -wald spazieren und so weiter. Mehr zum Thema Sport und Diabetes Typ 1 erfährst du auf unserer Wissensplattform und in unserer kostenlosen Online-Schulung.

  • Achte darauf, ausreichend und erholsam zu schlafen. Wenn du an Schlafstörungen leidest, solltest du diesen auf den Grund gehen und die Ursache(n) beheben.

  • Verzichte auf Nikotin und trinke Alkohol in Maßen (oder lass ihn ganz weg).

Du möchtest Diabetes Typ 1 besser verstehen?

Alles über die Time in Range

Wir nehmen es gleich vorweg: Wenn du zuverlässig einschätzen willst, ob die therapeutischen Maßnahmen die gewünschte Wirkung zeigen, solltest du die viertel- bis halbjährlichen HbA1c-Messungen bei deinem Arzt oder deiner Ärztin durch regelmäßige, mittels CGM-System (CGM = Continuous Glucose Monitoring) automatisch durchgeführte “einfache” Blutzuckermessungen ergänzen. Diese Maßnahme ist die Grundvoraussetzung für die unkomplizierte Bestimmung der sogenannten Time in Range, die in der Diabetes-Therapie immer bedeutsamer wird – aus gutem Grund.

Die Time in Range, abgekürzt TIR und übersetzt “Zeit im Zielbereich”, beschreibt die Dauer des Blutzuckerspiegels in einem eigens definierten Zielkorridor für den Blutzuckerspiegel. Sie gibt also an, wie lange sich dein Blutzuckerspiegel während eines definierten Zeitraums im Zielbereich befunden hat. Hier die wesentlichsten Aspekte dazu erst einmal im Überblick (wir gehen weiter unten noch näher auf alles ein):

  • Je länger deine Blutzuckerwerte im Zielbereich sind, desto höher ist die Time in Range. Umgekehrt fällt die Time in Range niedriger aus, wenn dein Blutzuckerspiegel häufiger außerhalb des Zielbereichs liegt.

  • Eine hohe Time in Range ist ein zuverlässiger Indikator für ein gutes Diabetes-Management und somit das klare Ziel bei der Diabetes-Therapie. Demgegenüber signalisiert eine niedrige Time in Range, dass die Blutzuckerkontrolle noch nicht optimal funktioniert und die Therapie angepasst werden sollte.

  • Bei einer hohen Time in Range – sprich einer guten Blutzuckerkontrolle – ist das Risiko für diabetische Früh- und Spätkomplikationen deutlich geringer als bei einer niedrigen Time in Range, die häufige Über- und/oder Unterzuckerungen impliziert.

  • Die genauen Zielbereiche für die Blutzuckerwerte im nüchternen Zustand und nach Mahlzeiten werden für jeden Menschen mit Diabetes individuell festgelegt, weil sie von verschiedenen Faktoren abhängen, beispielsweise dem Alter, dem allgemeinen Gesundheitszustand und dem Lebensstil. Zunächst solltest du deine Zielbereiche mit deinem Diabetes-Team abklären; später – wenn du erfahrener und geübter bist – kannst du eventuell erforderliche Anpassungen auch selbst vornehmen.

Bedeutung der Time in Range für die Diabetes-Therapie

Durch die Entwicklung sowie zunehmende Verbesserung und Verbreitung von CGM-Systemen hat die Time in Range in den vergangenen Jahren für die Diabetes-Therapie enorm an Bedeutung gewonnen. Sie ist ein guter Indikator für die Dauer normo-, hyper- und hypoglykämischer Phasen.

  • Normoglykämisch: Blutzucker im Zielbereich

  • Hyperglykämisch: Blutzucker über dem Zielbereich (Überzuckerung)

  • Hypoglykämisch: Blutzucker unter dem Zielbereich (Unterzuckerung)

Die kontinuierliche Glukosemessung durch ein CGM-System ermöglicht es, etwaige Muster zu erkennen, was steigende oder fallende Blutzuckerwerte zu bestimmten Tageszeiten oder nach Mahlzeiten betrifft. In diesem Sinne können die Time in Range sowie die genaue Analyse der Time above Range und der Time below Range effektiv helfen, die therapeutischen Maßnahmen soweit zu adaptieren und zu verfeinern, dass Über- und Unterzuckerungen immer seltener auftreten. Das wiederum trägt massiv zur Vorbeugung schwerwiegender diabetischer Folgeerkrankungen bei und beeinflusst die Lebensqualität mit Diabetes generell sehr positiv.

Zudem hat die Time in Range einen praktischen Vorteil für Menschen mit Diabetes: Anders als beim HbA1c ist für die Messung und Auswertung kein Gang zum behandelnden Arzt oder zur behandelnden Ärztin erforderlich. Stattdessen kann der oder die Betroffene die Time in Range sowie die Subparameter Time above Range und Time below Range mittels CGM-System und zugehöriger App eigenmächtig bestimmen und – mit etwas Erfahrung – die Ergebnisse selbst interpretieren und gegebenenfalls zur Anpassung der Diabetes-Therapie nutzen.

Wichtig: Wenn du dir unsicher bist, solltest du dich trotzdem immer mit deinem Diabetes-Team besprechen, bevor du etwas an deiner Therapie veränderst.

Zur Veranschaulichung, wie du die Time in Range zu therapeutischen Zwecken einsetzen kannst, hier zwei Beispiele:

  1. Du bemerkst, dass deine Blutzuckerwerte nach einer Mahlzeit zu hoch sind, und verdächtigst den Spritz-Ess-Abstand als Ursache. Um herauszufinden, ob das wirklich der Grund ist, vergrößerst du den Spritz-Ess-Abstand etwas und prüfst anhand der Time in Range (und/oder der Time above Range) nach ein bis zwei Wochen, ob du auf dem richtigen Weg bist.

  2. Du hast den Eindruck, dass dein Kohlenhydratfaktor nicht mehr so ganz passt, und veränderst ihn in Absprache mit deinem Diabetes-Team. Zwei Wochen später schaust du auf die Time in Range und stellst fest, dass sich die Zeit im Zielbereich durch diese Maßnahme um vier Prozent erhöht hat. Das signalisiert dir: Weiter so!

    

Limitationen der Time in Range

Bei der Time in Range als Mess- und Bewertungsgröße gibt es keine wirklichen Schwächen und kaum Limitationen. Die einzige Einschränkung ist, dass sie nur von Nutzern und Nutzerinnen eines CGM-Systems präzise ermittelt werden kann. Da der Einsatz der fortschrittlichen Technik jedoch immer weiter zunimmt, dürfte sich diese kleine Limitation bald erübrigen.

Anmerkung: Erwähnenswert ist der Mangel an Langzeit- und Endpunktstudien, durch den sich die prognostische Relevanz der Time in Range und Time out of Range aktuell noch nicht vollständig beurteilen lässt. Allerdings gehen wir stark davon aus, dass sich die Parameter auch in diesem wissenschaftlichen Kontext als überaus wertvoll für die Diabetes-Therapie erweisen werden. Im praktischen Alltag von Diabetes-Betroffenen bewährt sich die Analyse der Zeit im und außerhalb des Zielbereichs schon jetzt, weil sie hilft, die Variabilität der Blutzuckerwerte rasch zu erkennen und zu reduzieren. Dadurch verringert sie auch ein Stück weit die Angst vor Über- und Unterzuckerungen. Beides fördert eine höhere Lebensqualität bei Menschen mit Diabetes.  

Time-in-Range-Zielwerte bei Menschen mit Diabetes

Die Time in Range wird prozentual angegeben. Somit sagt der Wert aus, wie viel Prozent der Zeit – meist gemessen an der Dauer eines Tages, also 24 Stunden – der Blutzuckerspiegel im individuellen Zielbereich verbracht hat. 

Beispiel: Eine Time in Range von 80 % bedeutet, dass der Blutzuckerspiegel 80 Prozent der Zeit im Zielbereich gewesen ist.

Oft erfolgt die Angabe ergänzend auch in Stunden (und/oder Minuten) pro Tag. Bei unserem 80-Prozent-Beispiel oben hat der Blutzuckerspiegel gut 19 von 24 Stunden im Zielkorridor gelegen.

Anmerkung: Die Time above Range und die Time below Range werden ebenfalls in Prozenten und Stunden/Minuten definiert.

Wie für HbA1c existieren auch für die Time in Range und die Time out of Range standardisierte Zielwerte gemäß den DDG- und internationalen Leitlinien:

  • Zielbereich*: 70 bis 180 mg/dl bzw. 3,9 bis 10,0 mmol/l

  • Zielwert für die Time in Range: 70 % oder mehr (der Blutzuckerspiegel sollte regelmäßig mindestens 70 % des Tages – gut 17 Stunden – im Zielbereich liegen)

  • Zielwert für die Time above Range (> 180 mg/dl bzw. 10,0 mmol/l): < 25 % (der Blutzuckerspiegel sollte regelmäßig weniger als 25 % der Zeit – höchstens sechs Stunden – über der oberen Grenze des Zielbereichs liegen)

  • Zielwert für die Time below Range (< 70 mg/dl bzw. 3,9 mmol/l): < 4 % (der Blutzuckerspiegel sollte regelmäßig weniger als 4 % der Zeit – höchstens knapp eine Stunde – unter der unteren Grenze des Zielbereichs liegen)

* Wir weisen an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass der Zielbereich letztlich individuell festgelegt wird und somit von dem angegebenen Standard abweichen kann.

Die Wertebereiche für die Time out of Range lassen sich noch detaillierter aufschlüsseln:

Above Range/Überzuckerung:

  • relevante Überzuckerung (Level 1): 181 bis 250 mg/dl bzw. 10,1 bis 13,9 mmol/l – Zielwert von < 25 %

  • ernste Überzuckerung (Level 2): > 250 mg/dl bzw. 13,9 mmol/l – Zielwert von < 5 % (bei einer schweren Überzuckerung ist das Messen von Ketonkörpern im Blut oder Urin erforderlich, um eine drohende, potenziell lebensgefährliche Ketoazidose – Übersäuerung des Blutes durch Ketone – rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls eingreifen zu können, mehr dazu erfährst du in unserem Beitrag zu den Komplikationen bei Diabetes Typ 1)

Below Range/Unterzuckerung:

  • relevante Unterzuckerung (Level 1): 54 bis 70 mg/dl bzw. 3,0 bis 3,9 mmol/l – Zielwert von < 4 %

  • ernste Unterzuckerung (Level 2): < 54 mg/dl bzw. 3,0 mmol/l – Zielwert von < 1 %

Quelle für der Angaben

Time in Range vs. klassische Blutzuckermessung vs. HbA1c

Die klassische, einfache Blutzuckermessung spiegelt immer nur den Blutzucker des jeweiligen Moments wider. Sie ist wichtig, um eine akute Über- oder Unterzuckerung zu erkennen und schnell reagieren zu können. Außerdem ist sie die einzige Basis, auf der situative Therapieentscheidungen getroffen werden können.

Demgegenüber wird für die Time in Range (und die Time out of Range) der Blutzucker praktisch permanent gemessen, um zu bestimmen, wie viel Zeit eines Tages er im individuell festgelegten Zielbereich (und außerhalb davon) verbringt. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen, die Qualität der Diabetes-Therapie insgesamt zu beurteilen und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. In diesem Sinne zielt die Time in Range im Vergleich zur klassischen, einfachen Blutzuckermessung weniger auf eine kurz- als auf eine mittel- und langfristige Blutzuckerkontrolle ab.

Die langfristige Blutzuckerkontrolle ist auch Inhalt und Ziel des HbA1c-Wertes, doch im Gegensatz zu diesem liefert die Time in Range zusammen mit der Time out of Range klare Anhaltspunkte in Bezug auf Über- und Unterzuckerungen. Weitere Vorteile der Time in Range gegenüber dem HbA1c-Wert (aber auch ein paar Contras) findest du in unserer Tabelle im Abschnitt “HbA1c oder Time in Range – welcher Wert ist wichtiger für die Diabetes-Therapie”.  

Welche Faktoren die Time in Range beeinflussen

Die Time in Range hängt weitgehend von den gleichen Faktoren ab wie der HbA1c-Wert – mit dem Unterschied, dass sie nicht durch externe und blutzuckerunabhängige Einflüsse verfälscht werden kann. Hier die entscheidenden Punkte in der Übersicht:

  • Blutzuckereinstellung

  • Ernährung

  • Stress

  • Bewegung

  • Schlaf

  • Rauchen und Alkohol

Wie du die Time in Range erhöhen kannst

Um deine Time in Range erhöhen zu können, sind verschiedene Aspekte bedeutsam. So spielt die Diabetes-Technik eine wesentliche Rolle – sie muss perfekt zu deinen individuellen Voraussetzungen passen. Zudem ist eine gute Blutzuckereinstellung – beispielsweise der richtige Kohlenhydratfaktor und die ideale Insulindosis – elementar.

Des Weiteren solltest du allgemein einen gesunden Lebensstil pflegen – mit einer ausgewogenen, bunten Ernährung, viel (kontrollierter, durchdachter) Bewegung und dem Verzicht auf Nikotin und übermäßigen Alkoholkonsum. Überhaupt hilft dir ein planvolles Vorgehen bei allem, was du tust (Reisen, Feiern und so weiter), deine Time in Range zu erhöhen. Mehr zu all dem erfährst du in den vielen Beiträgen auf unserer Wissensplattform sowie in unseren kostenlosen Online-Kursen. Registriere dich bei uns und mach mit!

Endlich Kontrolle über Typ 1 Diabetes bekommen

HbA1c oder Time in Range – welcher Wert ist wichtiger für die Diabetes-Therapie?

Fassen wir das Wichtigste zum HbA1c-Wert und zur Time in Range noch einmal kurz zusammen:

  • Der HbA1c-Wert gibt Aufschluss über den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten zwei bis drei Monate. Er ist ein reiner Mittelwert, der den Blutzucker über einen längeren Zeitraum reflektiert, aber wenig bis nichts über die Häufigkeit und Intensität von Über- und Unterzuckerungen vermittelt.

  • Die Time in Range sagt aus, wie viel Zeit eines Tages der Blutzuckerspiegel im individuellen Zielbereich verbracht hat. In Kombination mit der Time out of Range liefert sie konkrete Informationen darüber, ob und wann am Tag Über- und Unterzuckerungen häufiger auftreten. Das wiederum kann helfen, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Time in Range zu erhöhen und Über- und Unterzuckerungen zukünftig weitgehend zu vermeiden. Somit zielt die Time in Range auf die kurz-, mittel- und langfristige Blutzuckerkontrolle ab. Sie spiegelt einerseits das Ausmaß einer potenziellen Blutzuckervariabilität über einen oder mehrere Tage wider und trägt andererseits zur Ermittlung sinnvoller Therapieanpassungen für langfristig positive Effekte bei.

Man würde meinen, dass ein niedriger HbA1c-Wert immer mit einer hohen Time in Range einhergeht. Durch die Schwächen und Limitationen des HbA1c-Wertes, bei dem sich wiederkehrende Über- und Unterzuckerungen gegenseitig aufheben, so zu einem soliden Ergebnis führen und ein gutes Blutzuckermanagement vortäuschen können, trifft das jedoch nicht zwangsläufig zu. Deshalb sollten sich Menschen mit Diabetes niemals allein auf den HbA1c-Wert stützen, sondern ihn mit der Time in Range (und Time out of Range) abgleichen. 

Um eine zuverlässige Korrelation des HbA1c und der Time in Range zu erhalten, müsste man beide Werte über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgen. Aber: Es liegt nahe, dass ein Mensch mit Diabetes im Falle einer hohen Time in Range stets einen niedrigen, guten HbA1c-Wert hat. Nur das Schließen vom HbA1c-Wert auf die Time in Range ist nicht möglich beziehungsweise schlicht nicht sinnvoll.  

Vor- und Nachteile der Time in Range gegenüber dem HbA1c-Wert:

VorteileNachteile
gibt Aufschluss darüber, wie stabil oder variabel der Blutzucker istes fehlt (noch) eine einheitliche Definition des Zielbereichs und Bezugszeitraums
ermöglicht die gleichzeitige Erfassung der Zeit im Zielbereich und der Zeit außerhalb des Zielkorridors (Über- und Unterzuckerungen)die Verbindung mit diabetesbezogenen Komplikationen ist durch den Mangel an Langzeit- und Endpunktstudien (noch) nicht belegt
erlaubt den Vergleich und die Analyse von Veränderungen in jedem beliebigen Zeitraum
ist mit dem Einsatz von CGM-Systemen einfach zu ermitteln (erfordert keine aufwändige Labordiagnostik)
ist für Menschen mit Diabetes leicht zu verstehen/zu interpretieren und in das eigene Diabetes-Management integrierbar
sorgt dafür, dass die Auswirkungen akuter Interventionen (z.B. nach einer Unterzuckerung) schnell und klar erfasst werden können
wird nicht durch externe und blutzuckerunabhängige Faktoren beeinflusst

Fazit: HbA1c und Time in Range komplementär verwenden

Halten wir also fest: Der HbA1c-Wert repräsentiert den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel eines längeren Zeitraums. Dazu ist die Time in Range auch in der Lage; allerdings gibt sie darüber hinaus Aufschluss über die Stabilität oder Variabilität des Blutzuckers über einen Tag oder auch längere Zeiträume hinweg. Hinzu kommt, dass sie nicht durch externe und blutzuckerunabhängige Faktoren beeinflusst wird. Was besonders bedeutsam ist: Menschen mit Diabetes können die Time in Range ohne aufwändige Labordiagnostik selbst erfassen und interpretieren.  

Alles in allem hat die Time in Range also die Nase vorn, was die Praktikabilität und den Nutzen für die Diabetes-Therapie betrifft – vor allem unter der Prämisse, dass der Einsatz von CGM-Systemen immer mehr zum Standard wird. Dennoch ist der HbA1c-Wert zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unverzichtbar – vor allem, weil für die Time in Range bis dato einheitliche Definitionen des Zielbereichs und des Bezugszeitraums sowie Endpunktstudien fehlen, weshalb MedizinerInnen derzeit meist noch den HbA1c als Richtwert für die Blutzuckereinstellung und therapeutische Empfehlungen verwenden (müssen).

Wir raten dazu, beide Werte komplementär einzusetzen, den Fokus aber auf die Time in Range zu legen, denn Fakt ist: Wenn du eine hohe Time in Range hast, bist du auch beim HbA1c im grünen Bereich. Umgekehrt gilt das nicht! Dein HbA1c-Wert kann selbst bei einer niedrigen Time in Range gut sein. Lass dich also nicht täuschen, sondern schau genau hin – die Time in Range und Time out of Range liefern dir die Informationen, die du brauchst, um deine Therapie in die optimalen Bahnen zu lenken!

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