Alles über Blutzucker und Diabetes Typ 1

Bei Diabetes Typ 1 dreht sich (fast) alles um den Blutzucker. Deshalb widmen wir uns in diesem Beitrag ausführlich genau diesem Thema. Wir erklären, wie der Blutzuckerstoffwechsel bei Typ 1 Diabetes beeinträchtigt ist und was therapeutisch dagegen unternommen wird. Zudem gehen wir darauf ein, wie sich verschiedene alltägliche Einflüsse - beispielsweise Essen, Sport, Stress und Schlaf - auf den Blutzuckerspiegel auswirken. Praktische Tipps dazu, was du bei Über- und Unterzuckerung tun und wie du starke Blutzuckerschwankungen vermeiden kannst, runden unseren Ratgeber ab.
Was bei Diabetes Typ 1 im Körper passiert
Bei Menschen mit der chronischen Autoimmunerkrankung Diabetes Typ 1 kann der Körper kein Insulin mehr herstellen. Insulin ist jedoch lebenswichtig: Unsere Körperzellen benötigen das Hormon, um Glukose (“Zucker”) aus der Nahrung aufnehmen und in Energie umwandeln zu können. Fehlt Insulin oder ist es nur unzureichend vorhanden, verbleibt die Glukose im Blut, sodass der Blutzuckerspiegel steigt. Dies kann vielfältige Symptome hervorrufen - unter anderem übermäßigen Durst, Übelkeit und Erschöpfung - und unbehandelt lebensbedrohlich werden. Betroffene müssen täglich Insulin spritzen, um den Blutzucker zu regulieren:
morgens/abends (Basis für den Tag, langwirksames Basalinsulin)
zu jeder Mahlzeit (kurzwirksames Bolusinsulin)
zusätzlich bei Bedarf (Bolusinsulin zur Korrektur bei erhöhten Blutzuckerwerten)
In unserem Artikel zu den Ursachen von Diabetes Typ 1 erfährst du mehr über dessen Entstehung. Und unser Beitrag über die Therapie bei Diabetes Typ 1 informiert dich ausführlich über die verschiedenen Insuline und ihre Anwendung.
Gutes Blutzuckermanagement als Grundvoraussetzung für hohe Lebensqualität
Wir nehmen es gleich vorweg: Für eine hohe Lebensqualität benötigen Menschen mit Diabetes Typ 1 ein gutes Blutzuckermanagement. Das bedeutet, dass der Blutzucker relativ konstant im gewünschten Bereich bleiben sollte. Was das konkret heißt und wie du das schaffen kannst, erklären wir schrittweise im Verlauf dieses Beitrags. Für den Moment möchten wir nur kurz die vielen Vorteile einer guten Blutzuckerkontrolle auflisten:
hohes körperliches und psychisches Wohlbefinden
deutlich niedrigeres Risiko für diabetische Komplikationen (akute Über- oder Unterzuckerungen sowie Folgeerkrankungen der Blutgefäße, Nerven, Augen, Nieren und Füße)
die Möglichkeit, alles zu tun, worauf du Lust hast, und trotz Diabetes Typ 1 ein weitgehend normales Leben zu führen
Blutzuckerzielwert und Blutzuckerschwankungen im Tagesverlauf bei Diabetes Typ 1
Beim Blutzucker handelt es sich um die im Blut befindliche Glukose. Dementsprechend sagt der Blutzuckerwert (oder Blutzuckerspiegel) aus, wie hoch die Glukosekonzentration im Blut ist. Er wird in zwei Einheiten angegeben:
Milligramm pro Deziliter = mg/dl
Millimol pro Liter = mmol/l
Für alle Menschen gilt ein Blutzuckerwert zwischen 70 und 140 mg/dl (3,9 bis 7,8 mmol/l) als optimal. Jedoch gibt es viele Faktoren, die den Blutzucker beeinflussen: beispielsweise das Essen, das zu einem Blutzuckeranstieg führt, oder Sport, der meist einen Blutzuckerabfall zur Folge hat. Deshalb sind leichte Blutzuckerschwankungen über den Tag vollkommen normal - bei Menschen mit Diabetes Typ 1 ebenso wie bei Personen, die nicht von der Stoffwechselerkrankung betroffen sind.
Ein uneingeschränkt funktionierender Glukosestoffwechsel bringt den Blutzuckerspiegel immer wieder in den optimalen Bereich zurück. Beispiel Essen: Bei Menschen ohne Diabetes liegt der Blutzuckerwert üblicherweise spätestens zwei Stunden nach einer Mahlzeit wieder unter der Grenze von 140 mg/dl (7,8 mmol/l). Und bei Menschen mit Typ 1 Diabetes bewirken die Therapiemaßnahmen im Idealfall das Gleiche oder zumindest Ähnliches. Durch die gezielte Dosierung des Insulins und einen gesunden, achtsamen Lebensstil sollte der Blutzuckerspiegel auch hier nah an der Norm sein - und zwar möglichst dauerhaft. Jedoch ist der Zielbereich etwas großzügiger bemessen und liegt bei 70 bis 180 mg/dl (3,9 bis 10,0 mmol/l).
Welcher Blutzuckerzielwert bei Diabetes Typ 1 konkret angestrebt wird, kann von Mensch zu Mensch und mitunter auch von Situation zu Situation variieren. Entscheidend sind die individuellen Voraussetzungen, beispielsweise das Alter, aber auch die allgemeine körperliche Verfassung und die Alltagsgestaltung. Beispiel: Bei älteren Betroffenen wird der Zielwert meist höher angesetzt als bei jüngeren Menschen mit Typ 1 Diabetes, um Unterzuckerungen effektiver vorzubeugen. Ältere Personen bemerken es häufig erst spät, wenn sie unterzuckert sind, wodurch unter anderem die Gefahr eines Sturzes steigt. Daher ist es sinnvoll, von Vornherein einen etwas höheren Blutzuckerzielwert anzuvisieren.
Jeder Mensch mit Diabetes Typ 1 legt den eigenen Zielwert zunächst zusammen mit seinem Diabetes-Team beziehungsweise dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin fest. Mit dem nötigen Know-how und etwas Erfahrung kannst du später bei Bedarf auch selbst Anpassungen vornehmen, was den Blutzuckerzielwert und/oder die Insulintherapie betrifft.
Bedeutung der Time in Range (TIR) und des HbA1c
Zwei besonders wichtige Parameter im Zusammenhang mit den Blutzuckerwerten bei Diabetes Typ 1 sind die Time in Range (TIR) und der HbA1c. Wir stellen sie dir im Folgenden ein wenig näher vor.
Time in Range
Time in Range lässt sich mit “Zeit im Zielbereich” übersetzen. Sie wird in Prozenten angegeben und bezieht sich darauf, wie lange der Blutzuckerspiegel während eines definierten Zeitraums - meist 24 Stunden - im individuell festgelegten Zielbereich war.
Nehmen wir ein positives Beispiel zur Veranschaulichung: Eine Time in Range von 70 Prozent bedeutet, dass die Blutzuckerwerte der betroffenen Person zu 70 Prozent der Zeit - also knapp 17 Stunden am Tag - im Zielbereich lagen.
70 Prozent aufwärts sprechen für ein gutes Blutzuckermanagement. Demgegenüber weist eine geringe(re) Time in Range auf eine schlechtere Blutzuckerkontrolle hin, was wiederum das Risiko für akute Komplikationen - Überzuckerung, Ketoazidose, Unterzuckerung - und langfristige Folgeerkrankungen - Atherosklerose, Retinopathie et cetera - erhöhen kann.
HbA1c
Der HbA1c gibt Aufschluss über den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten zwei bis drei Monate. Er wird deshalb auch als Blutzuckerlangzeitwert oder Blutzuckergedächtnis bezeichnet. Falls du dich fragst, was diese komplizierte Buchstaben- und Zahlenkombination bei HbA1c bedeutet:
Hb = Hämoglobin (eisenhaltiger roter Blutfarbstoff in den roten Blutkörperchen)
HbA = die bei Erwachsenen am häufigsten vorkommende Hämoglobin-Form
HbA1c = das Molekül, das sich bei der sogenannten Glykierung bildet
Die Glykierung ist ein normaler Prozess im Organismus, der bei allen Menschen - ob mit oder ohne Diabetes Typ 1 - abläuft. Sie beschreibt die Verzuckerung des Hämoglobins, also den üblichen Vorgang, bei dem sich die Reste von Glukose, die nach der Nahrungsaufnahme im Blut verblieben sind, an das Hämoglobin binden.
Je länger und stärker der Blutzuckerspiegel erhöht ist, desto mehr Glukose bindet sich an das Hämoglobin. Und je mehr das Hämoglobin verzuckert, desto höher ist der HbA1c-Wert.
Angegeben wird der HbA1c in Prozenten. Beispiel: Ein HbA1c von 5,9 Prozent sagt aus, dass in den letzten acht bis zwölf Wochen durchschnittlich 5,9 Prozent des Hämoglobins verzuckert waren.
Ein HbA1c von mehr als 6,4 Prozent ist ein Diagnosekriterium für Diabetes Typ 1 (oder eine andere Diabetes-Form). Der Blutzuckerlangzeitwert hilft aber auch einzuschätzen, wie gut das Blutzuckermanagement funktioniert beziehungsweise wie gut die Therapie anschlägt. Wie beim “einfachen” Blutzuckerspiegel wird auch beim HbA1c für jeden Menschen mit Typ 1 Diabetes ein individueller Zielwert festgelegt. In der Regel liegt er bei unter 7,5 Prozent.
Auswirkungen verschiedener Einflüsse auf den Blutzucker: Nahrungsaufnahme, Sport, Stress und Schlaf
Wie weiter oben schon angedeutet, wirken sich verschiedene Einflüsse aus dem Alltag auf den Blutzucker aus. Diesbezüglich sind vor allem das Essen beziehungsweise die Nahrungsaufnahme im Allgemeinen sowie Sport und Bewegung zu nennen. Doch auch Stress und Schlaf können gerade bei Menschen mit Diabetes Typ 1 die Blutzuckerwerte ordentlich aus dem Gleichgewicht bringen.
Blutzucker und Nahrungsaufnahme
Jeder Mensch benötigt sogenannte Makro- und Mikronährstoffe. Sie liefern dem Körper die erforderliche Energie für alles, was er Tag für Tag leistet.
Zu den Makronährstoffen gehören die “großen 3”, also:
Kohlenhydrate
Fette
Proteine (Eiweiße)
Die Mikronährstoffe umfassen:
Vitamine
Mineralstoffe
Spurenelemente
Die drei Makronährstoffe bilden die Grundlage unserer Ernährung und sind elementar für einen funktionierenden Stoffwechsel. Unser Organismus spaltet sie zunächst im Verdauungstrakt auf. Anschließend befördert er sie über das Blut zu den Körperzellen, wo sie letztlich verwertet werden. Die vielfältigen Mikronährstoffe sind an verschiedenen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Wir brauchen sie, um uns gesund, fit und vital zu fühlen.
Makronährstoffe, insbesondere Kohlenhydrate, haben großen Einfluss auf den Blutzucker. Als Mensch mit Diabetes Typ 1 kannst du dir merken: Je kohlenhydratreicher eine Mahlzeit ist, desto stärker steigt der Blutzucker an und desto mehr Insulin benötigst du. Ab einer gewissen Menge erhöhen auch Fette und Proteine den Blutzucker, allerdings langsamer oder besser gesagt verzögert, das heißt erst nach ein paar Stunden. Diese Unterschiede gilt es bei der Dosierung des Insulins stets zu berücksichtigen. Mikronährstoffe hingegen wirken eher indirekt auf den Blutzucker, indem sie beispielsweise die Insulinwirkung verbessern.
Anmerkung: Auch Ballaststoffe dürfen nicht unerwähnt bleiben. Offiziell gehören sie zwar weder zu den Makro- noch zu den Mikronährstoffen, allerdings sind sie ähnlich bedeutsam wie Kohlenhydrate, Fette und Proteine. Im Gegensatz zu den klassischen Makronährstoffen liefern diese unverdaulichen pflanzlichen Bestandteile dem Körper keine Energie. Jedoch erfüllen sie andere bedeutsame Funktionen. Beispielsweise fördern sie die Verdauung und unterstützen eine gesunde Darmflora, weshalb wir Ballaststoffe in größeren Mengen benötigen.
Was für Menschen mit Diabetes Typ 1 am wichtigsten ist:
Beim Essen und teilweise auch beim Trinken steigt der Blutzucker an. Deshalb muss zu jeder Mahlzeit Insulin gespritzt werden.
Die Insulindosis hängt vor allem von der Kohlenhydratmenge der jeweiligen Mahlzeit ab, denn Kohlenhydrate beeinflussen den Blutzucker am stärksten. Bei sehr fett- und/oder proteinhaltigen Speisen sind auch die Fett- und/oder Proteinmengen zu berücksichtigen.
Auch die Komplexität der Kohlenhydrate spielt eine wichtige Rolle. Je komplexer, desto langsamer wirken sie – anders gesagt, Toastbrot wirkt schneller als Vollkornbrot. In flüssigem Zustand wirkt Zucker ebenfalls schneller, bspw. Apfelsaft geht schneller ins Blut als ein Apfel.
Um den Blutzucker nicht stärker als nötig zu “belasten”, sollten Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index (GI) beziehungsweise niedriger glykämischer Last (GL) bevorzugt werden. Vereinfacht gesagt: viel Frisches und Ballaststoffreiches (z.B. Gemüse, Obst und Vollkorngetreide) konsumieren und stark Verarbeitetes (z.B. Weißmehlprodukte und Süßigkeiten) eher meiden.
Auf unserer Wissensplattform findest du zahlreiche Beiträge zum Thema Ernährung bei Diabetes Typ 1. In den verschiedenen Artikeln erfährst du Genaueres darüber, welche Lebensmittel wie auf den Blutzucker wirken, worauf du bei der Gestaltung deiner Speisepläne achten solltest, was es mit dem glykämischen Index und der glykämischen Last auf sich hat und wie du je nach Mahlzeit die richtige Insulindosis bestimmst.
Blutzucker und Sport/Bewegung
Bewegung und Sport führen üblicherweise zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels. Wie stark der Blutzucker abfällt, hängt von mehreren Faktoren ab:
Art, Intensität und Dauer der sportlichen Betätigung
Art und Menge der Kohlenhydrate, die vor der Einheit aufgenommen wurden
aktives Insulin im Körper zum Zeitpunkt des Trainings
Tageszeit, zu der Sport getrieben wird
individueller Stoffwechsel
Anmerkung: Bei manchen Sporteinheiten kann der Blutzucker vorübergehend auch ansteigen. Beispiele sind Krafttraining oder Sprints - allgemein: Aktivitäten mit kurzer, hoher Intensität. Langfristig sinkt der Blutzuckerspiegel nach dem Sport aber immer, egal, auf welche Art du dich zuvor ausgepowert hast.
Während der Organismus von Menschen ohne Diabetes den Blutzucker bei und nach dem Sport von selbst richtig reguliert, müssen Menschen mit Diabetes Typ 1 von außen eingreifen und durch eine gezielte Abstimmung der Kohlenhydrat- und Insulinzufuhr sicherstellen, dass der Blutzucker während und nach der Aktivität im individuellen Zielbereich bleibt.
Um Unterzuckerungen beim Sport vorzubeugen, sind einige Dinge zu beachten. Mehr dazu erfährst du in unserem Beitrag zu den Auswirkungen von Sport auf den Blutzucker bei Menschen mit Typ 1 Diabetes und vor allem in unserem kostenlosen Online-Kurs zum Thema Sport mit Diabetes Typ 1. Registriere dich gleich bei uns und lege los!
Blutzucker und Stress
Stress kann ganz verschiedene Ursachen haben, negative, aber teilweise auch positive:
Zeitstress durch Abgabefristen und andere Termine (negativ)
Stress durch Streit, sonstigen Ärger oder Angst (negativ)
Aufregung vor/bei einer Prüfung oder einem sportlichen Wettkampf (kann negativ oder positiv sein, je nach individueller Herangehensweise)
Nervosität vor/bei einem Date (positiv)
Aufregung, einen geliebten Menschen nach langer Zeit wiederzusehen (positiv)
In Stresssituationen schüttet der Körper Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin aus. Diese können die Insulinwirkung verringern und so den Blutzucker ansteigen lassen. Außerdem regt Stress die Ausschüttung des Appetithormons Ghrelin an, was uns dazu verleitet, vermehrt Süßes und Kohlenhydratreiches zu naschen, was dann ebenfalls den Blutzucker erhöht. Kurz gesagt: Stress kann zu einem Blutzuckeranstieg führen.
Diabetes Distress: Stress durch diabetesbedingte Belastungen
Die alltäglichen Herausforderungen und Belastungen durch Diabetes Typ 1 können Betroffene enorm stressen und zum sogenannten Diabetes Distress führen. Dieser wiederum geht teilweise mit einer Vernachlässigung der Therapie einher, was das Risiko für diabetische Frühkomplikationen und Folgeerkrankungen erhöht. In unserem Artikel über die psychischen Folgen bei Diabetes Typ 1 erfährst du mehr dazu.
Blutzucker und Schlaf
Die Wechselwirkungen zwischen Blutzucker und Schlaf sind gerade im Zusammenhang mit Diabetes Typ 1 ein wichtiges Thema. Folgende Aspekte haben dabei besondere Relevanz:
nächtliche Unterzuckerungen
Schlafmangel und andere Schlafstörungen
Nächtliche Unterzuckerungen treten bei Menschen mit Typ 1 Diabetes oder einer anderen Diabetes-Form relativ häufig auf. Zwar bleiben sie während des Schlafens meist unbemerkt, können aber dazu führen, dass sich die Betroffenen am nächsten Morgen extrem müde und abgeschlagen fühlen. Manche berichten zudem von Kopfschmerzen.
Teilweise kommt es allerdings auch vor, dass Betroffene durch die Unterzuckerung aufwachen und daraufhin derart unruhig sind, dass sie nicht mehr richtig einschlafen können. Solche und andere Schlafstörungen wiederum können eine verstärkte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol und in der Folge einen Blutzuckeranstieg nach sich ziehen.
Auch vice versa kann der Schlaf bzw. die Schlafqualität einen Einfluss auf die Blutzuckerwerte des darauffolgenden Tages haben. Je kürzer bzw. unruhiger der Schlaf, desto eher können die BZ-Werte des folgenden Tages schwanken.
Wir gehen weiter unten noch darauf ein, was du bei einem starken nächtlichen Blutzuckerabfall oder -anstieg tun beziehungsweise wie du beidem vorbeugen kannst.
Symptome und Maßnahmen bei Über- und Unterzuckerung
Liegen die Blutzuckerwerte außerhalb des Zielbereichs, spricht man von einer Über- oder einer Unterzuckerung. Wir fassen kurz die wichtigsten Symptome und Maßnahmen zusammen.
Überzuckerung bis hin zu einer Ketoazidose
Bei Blutzuckerwerten über 180 mg/dl (10,0 mmol/l) können Symptome einer Überzuckerung auftreten:
starker Durst
häufiges Wasserlassen
Müdigkeit
Übelkeit
Um eine Überzuckerung aufzulösen, solltest du schnell wirkendes Insulin spritzen. Die richtige Dosis hängt vom gemessenen Blutzuckerwert und dem individuellen Korrekturfaktor ab. Das Korrekturschema legst du am besten vorsorglich mit deinem Arzt oder deiner Ärztin fest. Außerdem wichtig bei einer Überzuckerung: viel Wasser trinken und den Blutzucker halbstündlich bis stündlich checken, bis er wieder stabil im Zielbereich bleibt.
Übersteigt der Blutzuckerwert die Grenze von 250 mg/dl (13,9 mmol/l), besteht die Gefahr einer potenziell lebensbedrohlichen Ketoazidose (Übersäuerung des Blutes durch Ketone), erkennbar an einer erschwerten, vertieften Atmung, süßlich riechendem Atem, Übelkeit und eventuell auch Bewusstseinsstörungen. Die Behandlung entspricht im Großen und Ganzen den Maßnahmen bei einer Überzuckerung. Allerdings solltest du vorab Ketone im Urin oder Blut messen und bei starken Beschwerden den Notruf wählen.
Unterzuckerung
Blutzuckerwerte unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l) können Symptome einer Unterzuckerung hervorrufen:
Zittern
Schwitzen
blasses Gesicht
Reizbarkeit
Einschränkungen des Sehvermögens
Konzentrationsschwierigkeiten
Bei einer Unterzuckerung solltest du sofort schnell ins Blut übergehende Kohlenhydrate zu dir nehmen. Dazu gehören beispielsweise Traubenzuckerplättchen, zuckerhaltige Getränke wie Fruchtsäfte oder Limonaden oder Gummibärchen. Grundsätzlich gilt hier: flüssig ist besser als fest (ausgenommen Traubenzucker). Im Falle einer schweren Unterzuckerung mit Bewusstlosigkeit ist die Gabe von Glukagon via Notfallspritze oder Nasenspray unumgänglich. Hier sollte kein Traubenzucker oder Saft mehr gegeben werden, da eine erhöhte Verschluckungsgefahr besteht. Das Hormon Glukagon bewirkt, dass die in der Leber gespeicherte Glukose ins Blut freigesetzt wird. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel innerhalb von einigen Minuten schnell wieder an.
Manche Symptome können sowohl auf eine Über- als auch auf eine Unterzuckerung hindeuten, beispielsweise Kopfschmerzen und Sehstörungen. Bevor du gegensteuerst, solltest du sicher wissen, ob du gerade über- oder unterzuckert bist. Eine falsche Behandlung kann schwerwiegende Folgen haben.
Informiere dich auch in unserem Artikel über die Anzeichen einer Überzuckerung, Ketoazidose und Unterzuckerung sowie genaue Informationen und Anleitungen zu den erforderlichen Gegenmaßnahmen.
Blutzucker regulieren in besonderen Situationen - Tipps
Das bisher Gesagte zeigt, dass sich ein Anstieg oder Abfall des Blutzuckers bei Diabetes Typ 1 in den meisten Fällen leicht erklären lässt:
Beim Essen und teilweise auch beim Trinken steigt der Blutzucker an.
Beim Sport sinkt der Blutzucker (selbst wenn er manchmal zunächst zu einem kurzen Anstieg führen kann).
Stress kann den Blutzuckerspiegel erhöhen.
Aber was ist, wenn der Blutzucker ohne klar ersichtlichen Grund plötzlich ansteigt oder abfällt? Im Folgenden sehen wir uns vier alltagsnahe Szenarien an und gehen jeweils darauf ein, was dahinterstecken könnte und wie du am besten handelst.
Blutzucker steigt, obwohl du in den letzten Stunden nichts gegessen oder getrunken hast
Wenn der Blutzucker ohne unmittelbaren Einfluss einer Mahlzeit ansteigt, kann es sein, dass
du dich durch irgendetwas gestresst fühlst (siehe Abschnitt “Stress” weiter oben).
du gerade an einem Infekt laborierst (denn auch bei Infekten setzt der Körper vermehrt Stresshormone frei).
du zuvor - z.B. bei der letzten Mahlzeit - kein oder zu wenig Insulin gespritzt hast.
du eine Fett- oder Proteinreiche Mahlzeit gegessen hast
du schlecht geschlafen hast (siehe Abschnitt “Schlaf” weiter oben).
du ein Medikament eingenommen hast, das den Blutzuckerspiegel erhöht (z.B. Kortison).
Die naheliegendste Gegenmaßnahme bei einem erhöhten Blutzucker ist die Korrektur mit kurzwirksamem Insulin. Aber: Bevor du dir voreilig Bolusinsulin injizierst, solltest du genau wissen, woran der Blutzuckeranstieg liegt. Sprich im Zweifelsfall zuvor mit deinem Arzt oder deiner Ärztin.
Achtung: Bei einem stark erhöhten Blutzucker mit heftigen Symptomen oder gar dem Verdacht auf eine Ketoazidose solltest du ohne zu zögern den Notruf wählen.
Blutzucker sinkt, obwohl du gerade keinen Sport machst/gemacht hast
Wenn der Blutzucker ohne unmittelbaren Einfluss einer Bewegungs- oder Sporteinheit sinkt, kann es sein, dass
du zu viel Insulin gespritzt oder zu wenige Kohlenhydrate aufgenommen hast.
der Spritz-Ess-Abstand zu groß war (Insulin zu früh gespritzt oder die Mahlzeit nach der Insulingabe zu spät konsumiert).
du Alkohol getrunken hast.
du eine nächtliche Unterzuckerung hast/hattest.
äußere Umstände wie sommerliche Temperaturen die Insulinresistenz senken.
Damit der Blutzucker nicht weiter sinkt, solltest du schnell ins Blut gehende Kohlenhydrate konsumieren. Allerdings ist es auch hier wichtig, die Ursache für den niedrigen Blutzuckerspiegel zu ermitteln und zu versuchen, das grundlegende Problem zu lösen. Wende dich bei Unsicherheiten an dein Diabetes-Team beziehungsweise deinen Arzt oder deine Ärztin. Wenn dir dabei eine regelmäßige Begleitung auf Augenhöhe von Mensch zu Mensch mit Diabetes wichtig ist, kann dich dabei auch unser Gründer Ivo im Rahmen eines Mentorings unterstützen.
Blutzucker ist nachts sehr hoch
Wenn der Blutzucker nachts sehr hoch ist, kann es sein, dass
du spät abends viele Kohlenhydrate oder FPE-lastiges Essen gegessen hast.
du vor dem Abendessen kein oder zu wenig Insulin gespritzt hast.
dein Basalinsulin nicht passend eingestellt ist (Pen & AID).
deine Schlafqualität eingeschränkt ist (siehe Abschnitt “Schlaf” weiter oben).
Stress oder andere Faktoren deinen Blutzucker aus dem Gleichgewicht bringen.
Korrigiere gegebenenfalls mit Insulin. Vorbeugend empfiehlt es sich, abends nicht übermäßig Kohlenhydrate zu verzehren und vor allem auf die richtige Insulindosis zu achten. Die Lösung liegt hier oft im Detail, analysiere Muster und mehrere Tage, um mögliche Ursachen zu identifizieren. Auch hier kann dich unser Gründer Ivo im Rahmen eines persönlichen Mentorings unterstützen. Im Falle von Schlafstörungen solltest du die Ursache erforschen und beheben - bei Bedarf mit professioneller medizinischer und/oder psychologischer Unterstützung.
Blutzucker ist nachts sehr niedrig
Wenn der Blutzucker nachts sehr niedrig ist, kann es sein, dass
du abends zu wenige Kohlenhydrate aufgenommen hast.
dein Basalinsulin nicht passend eingestellt ist (Pen & AID).
du zur letzten Mahlzeit des Tages oder zur Korrektur zu viel Insulin gespritzt hast.
du abends Alkohol getrunken hast.
du am Abend Sport getrieben hast.
Wachst du durch den niedrigen Blutzucker auf, kannst du mit schnellen Kohlenhydraten gegensteuern, beispielsweise einen Fruchtsaft trinken. Präventiv raten wir dir, abends eine ausgewogene Mahlzeit zu verzehren und sicherzustellen, dass die Insulindosis dazu passt. Wenn du dich mit Kohlenhydraten sowie FPEs noch nicht so gut auskennst, kann es auch helfen, abends weniger davon zu essen. Das ist aber nur eine Zwischenlösung, langfristig solltest du dir die Kompetenzen dazu aufbauen, um abends das essen zu können, worauf zu Lust hast. Auch dabei kann dir unser Gründer Ivo im Rahmen eines individuellen und persönlichen Mentorings helfen. (LINK) Es hilft außerdem, Alkohol am Abend, wenn dann nur in Maßen zu trinken oder ganz darauf zu verzichten.
Falls du grundsätzlich zu nächtlichen Unterzuckerungen neigst, kann es außerdem helfen, zum Abendessen langsam wirkende Kohlenhydrate aufzunehmen, also beispielsweise Vollkornprodukte zu essen und/oder mit einem leicht erhöhten Blutzucker zu Bett zu gehen. Hier spielen sehr viele Faktoren wie der Basalbedarf, Bewegung, etc. mit rein, weshalb es immer hilfreich und nötig ist, einen größeren Zeitraum bei der Analyse zu betrachten.
Wichtiger Hinweis: Bei jedem schwer nachvollziehbaren Blutzuckeranstieg oder -abfall solltest du unbedingt auch deine Insulintherapie und alles, was damit zusammenhängt, überprüfen. Beispielsweise kann ein dauerhaft erhöhter Blutzucker auch darauf hindeuten, dass mit deiner Diabetes-Technik etwas nicht stimmt, vielleicht die Insulinpumpe defekt ist. Möglicherweise muss einfach das Basalinsulin, KE- oder Korrektur-Faktoren angepasst oder der Spritz-Ess-Abstand verändert werden. Sprich am besten mit anderen Diabetes-Experten oder deinem Diabetes-Team, deinem Arzt oder deiner Ärztin, wenn du wiederholt zu hohe oder zu niedrige Blutzuckerwerte misst, für die du keine vernünftige Erklärung hast.
Wie du starke Schwankungen vermeiden kannst
Bei Diabetes Typ 1 geht es in erster Linie darum, neben Überzuckerungen und Unterzuckerungen auch starke Schwankungen des Blutzuckers zu vermeiden. Das gelingt dir mit einem gesunden, achtsamen Lebensstil, der im Wesentlichen die folgenden vier Aspekte umfasst:
1. eine ausgewogene Ernährung mit
vielen frischen Lebensmitteln
wenigen stark verarbeiteten Lebensmitteln
vorrangig komplexen Kohlenhydraten
wenig Haushaltszucker
gesunden Fetten
wertvollen Proteinen
vielen Ballaststoffen
einer geringen glykämischen Last
möglichst regelmäßigen Essenszeiten
Mehr zum Thema Ernährung bei Diabetes Typ 1 erfährst du in den verschiedenen Artikeln auf unserer Wissensplattform.
2. regelmäßige Bewegung
30 Minuten täglich
körperliche Bewegung im Alltag: Haus- oder Gartenarbeit, Treppensteigen, zu Fuß einkaufen gehen, spazieren etc.
Sport nach Wahl: Fitness (Ausdauer- oder Krafttraining), Teamsport (Fußball, Basketball, Handball, Volleyball etc.), Einzelsport (Klettern, Skaten, Surfen etc.)
Menschen mit Diabetes Typ 1 müssen beim Sport einiges beachten. Nimm an unserer kostenlosen Online-Schulung teil oder informiere dich in den zahlreichen Beiträgen in unserem Blog.
3. ein gutes Stressmanagement
vermeidbaren Stress vermeiden
auf ausreichend Schlaf achten (relativ feste Zeiten beim Zubettgehen und Aufstehen sind von Vorteil, es darf natürlich auch mal Ausnahmen geben)
Techniken zum effektiven Stressabbau lernen oder finden (Meditation, Autogenes Training, Sport, Instrument spielen, Sudokus lösen etc.)
4. ein vorausschauendes Diabetesmanagement
gut eingestelltes Basalinsulin, KE- und Korrekturfaktoren sind die Basis
gute Kenntnisse zur Wirkung von Kohlenhydraten, FPEs und Sport / Bewegung
fundierte Erfahrung mit dem eigenen Körper und Stoffwechsel
bewusster Umgang mit Unter- und Überzuckerung (bspw. Rage-Bolus / Fressflash vermeiden)
bewusster Umgang mit dem eigenen Perfektionismus (bspw. realistische Erwartungen)
Früh- und Spätfolgen bei Diabetes Typ 1 gezielt vorbeugen
Um kurzfristigen Komplikationen - also Überzucker, Ketoazidose und Unterzucker - sowie langfristigen Folgeerkrankungen vorzubeugen, ist es am wichtigsten, den Blutzucker möglichst dauerhaft in Balance zu halten - sprich häufige und starke Schwankungen zu vermeiden. Achte auf gute Werte bei der Time in Range und dem HbA1c. Wenn dahingehend alles im grünen Bereich ist, kannst du stolz auf dich sein, denn es zeugt von einer guten Blutzuckerkontrolle. Folgende Übersicht der Time in Range bietet dir einen Anhaltspunkt zur Selbsteinschätzung:
Unter 70% besteht je nach Lebenssituation Optimierungspotenzial,
Über 70% ist eine gute BZ-Einstellung, hier kann noch feiner justiert werden,
Über 80% ist sehr gut, du hast eine gute Balance zwischen Lebensqualität und Gesundheit,
Über 90% ist herausragend, könnte aber unter Umständen Einschränkungen der Lebensqualität, Flexibilität, Spontanität, etc. mit sich bringen.
Die offizielle Empfehlung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) für die Time in Range liegt bei über 70% zu sein.
Methoden zur Blutzuckermessung
Die kontinuierliche Blutzuckerkontrolle ist ein elementarer Bestandteil der Behandlung bei Diabetes Typ 1. Dafür stehen dir mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
manuelle Messung mit einem klassischen Blutzuckermessgerät
automatische Messung des Gewebezuckers mittels CGM-System (CGM = continuous glucose monitoring = kontinuierliche Glukosemessung)
Es kommt nur noch selten vor, dass Menschen mit Diabetes Typ 1 ihren Blutzucker manuell mit einem Blutzuckermessgerät messen. Dabei stechen sie sich in die seitliche Fingerspitze, um von dort einen Tropfen Blut zu entnehmen.
Heutzutage nutzen die meisten Betroffenen ein CGM-System. Hierbei tragen sie einen kleinen Sensor am Oberarm, Oberschenkel, unteren Rücken oder Bauch, der alle paar Minuten den jeweils aktuellen Glukosewert im Unterhautfettgewebe misst und die Ergebnisse an ein Empfangsgerät sendet, beispielsweise ein Smartphone oder eine Smartwatch. Durch die Messung im Unterhautfettgewebe spricht man statt vom Blutzuckerwert treffender vom Gewebezuckerwert. Dies ist eine wichtige Unterscheidung, denn der Gewebezuckerwert hinkt dem Blutzuckerwert meist zwischen 10 und 15 Minuten nach, was für die Therapieentscheidung von maßgeblicher Bedeutung sein kann. Praktisch: Viele CGM-Systeme alarmieren den Anwender oder die Anwenderin, sobald der Gewebezucker einen bestimmten Grenzwert über- oder unterschreitet und eine Über- oder Unterzuckerung droht. So kann der oder die Betroffene frühzeitig gegensteuern.
Genaueres über die Methoden zur Blutzuckermessung einschließlich einer detaillierten Anleitung zur Anwendung eines klassischen Blutzuckermessgeräts erfährst du in unserem Beitrag zur Therapie bei Diabetes Typ 1.