Auswirkungen von Sport auf den Blutzucker bei Typ 1 Diabetes

Arm mit Blutzuckermessgerät und Pen

Sport kann sich in zweierlei Weisen auf den Blutzucker von Menschen mit Typ 1 Diabetes auswirken: ihn senken oder anheben, wobei ein Anstieg nur bei bestimmten Trainingsformen oder einer bestimmten Intensität auftritt. 

Die genauen Auswirkungen von Bewegung auf den Blutzucker hängen von verschiedenen Faktoren ab. Maßgeblich sind vor allem die Art, Intensität und Dauer der sportlichen Betätigung. Doch auch andere Aspekte haben einen wesentlichen Einfluss. Dazu gehören etwa das aktive Insulin, die Tageszeit, zu der du Sport treibst, und die Art und Menge der Kohlenhydrate, die du vor der Aktivität einnimmst.

Das übergeordnete Ziel bleibt stets dasselbe: Als Mensch mit Typ 1 Diabetes solltest du darauf achten, dass dein Blutzuckerspiegel nicht übermäßig abfällt oder ansteigt.

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Sowohl Unter- als auch Überzuckerungen kannst du gut vorbeugen, wenn du in puncto Insulin- und Kohlenhydratzufuhr auf ein paar Dinge achtest und die richtigen Maßnahmen triffst. Das mag am Anfang kompliziert klingen. Doch je mehr du übst und je besser du deinen Körper kennenlernst, desto einfacher wird es.

Veränderung des Blutzuckerwerts bei sportlichen Aktivitäten

Die Art, Intensität und Dauer der sportlichen Aktivität können den Blutzuckerwert unterschiedlich verändern. Hierbei wird zwischen Bewegungen mit aerober und solchen mit anaerober Energiegewinnung unterschieden. Die aerobe Energiegewinnung erfolgt mit Sauerstoff, die anaerobe ohne.

Aerobe und Anaerobe Energiegewinnung

Aerobe Bewegungen sind all jene, die große Muskelgruppen wiederholt und anhaltend durchführen. Dazu zählen etwa Ausdauersportarten wie Wandern, Joggen, Fahrradfahren oder Schwimmen - also Sport mit langanhaltender, moderater Intensität.

Demgegenüber beruhen kurze, schnelle Bewegungsabläufe, die Schnellkraft erfordern mehr auf der anaeroben Energiegewinnung. Beispiele dafür sind Sprints oder intensives Krafttraining - also Sportarten mit kurzer, hoher Intensität.

In der Regel lassen aerobe Belastungen den Blutzucker sinken und anaerobe den Blutzucker kurzfristig ansteigen. Langfristig sinkt der Blutzuckerspiegel nach dem Sport jedoch in beiden Fällen. Doch Regeln wären keine Regeln, wenn es nicht auch Ausnahmen gäbe. Wie stark sich welche Sportart und Intensität auf den Blutzucker auswirkt, hängt vom individuellen Stoffwechsel ab. Und dann gibt es auch Trainingsformen, durch die sich aerobe und anaerobe Bewegungen mehr oder weniger ausgleichen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass du deinen Körper so gut es geht kennenlernst.

Hinweis: Bei Sportarten, die viele kurze Sprints erfordern, bspw. beim Fußball, Basketball, Handball, etc., kann durch die vielen kurzen Sprints ein Wechsel zwischen aerober und anaerober Energiegewinnung stattfinden. Hier können also sowohl Unter- als auch Überzuckerungen auftreten - oder sich die Wirkungen während des Sports sogar gegenseitig aufheben.

Zudem haben beim Sport auch äußere Einflüsse Auswirkungen auf den Blutzucker. Steht beispielsweise ein sportlicher Wettkampf an, schüttet der Körper zusätzlich Adrenalin und andere Hormone aus, die die Konzentration, Reaktionsgeschwindigkeit, etc. steigern sollen. Für manche Menschen kommt auch noch Stress dazu. Diese Hormonausschüttungen können den Blutzuckerspiegel vorübergehend ansteigen lassen.

Vor allem beim Sport muss der Blutzucker im Blick bleiben

Die Auswirkungen von aeroben und anaeroben Bewegungsarten auf den Blutzucker gelten für alle Menschen, die Sport treiben. Mit Diabetes Typ 1 kommt jedoch noch eine entscheidende Komponente hinzu: wir müssen unseren Blutzuckerspiegel mit Insulin und Kohlenhydraten beim Sport selbst regeln! Das kann den Blutzuckerwert beim Sport zusätzlich in vielerlei Hinsicht beeinflussen.

Hier ein paar Beispiele zum besseren Verständnis:

  • Aufgrund natürlicher Hormonschwankungen ist der Insulinbedarf bei den meisten Betroffenen gegen Mittag und Mitternacht niedriger als frühmorgens und abends. Je nachdem, zu welcher Tageszeit du Sport treibst, solltest du die Insulindosis entsprechend anpassen. Aber: Finde zuerst heraus, wie dein Insulinbedarf je nach Tageszeit tatsächlich ist.

  • Wenn du in einer Phase Sport treibst, in der sich "aktives Insulin" in deinem Körper befindet, kann dein Blutzucker abfallen. Typisches Szenario für aktives Insulin während der Sporteinheit: Du hast kurz vorher etwas gegessen und dafür Insulin gespritzt.

  • Bedeutsam sind auch die Art und Menge der Kohlenhydrate, die du vor dem Sport aufnimmst. Komplexe Kohlenhydrate, wie sie beispielsweise in Vollkornprodukten enthalten sind, gehen relativ langsam ins Blut über. Isst du vor der Bewegungseinheit Kohlenhydrate in Verbindung mit Fett und Proteinen, kann diese Mahlzeit auch Stunden später noch einen Blutzuckeranstieg bewirken.

Nutze komplexe Kohlenhydrate und Fett-Protein-Einheiten (FPE) dazu, einer Unterzuckerung beim Sport vorzubeugen.

  • Beachte außerdem den sogenannten Muskelauffüll- oder Nachbrenneffekt. Nach dem Sport versucht der Körper, die leeren Glykogenspeicher in den Muskeln wieder aufzufüllen. Zu diesem Zweck bedient er sich des Zuckers im Blut. Dadurch kann der Insulinbedarf bis zu 48 Stunden nach der Aktivität noch reduziert sein. Vor allem in der Nacht nach dem Sport ist die Gefahr einer Unterzuckerung erhöht.

Wenn du zu nächtlicher Unterzuckerung neigst, solltest du eher morgens als abends Sport treiben. Alternativ kannst du nach dem abendlichen Workout komplexe, fettige und eiweißhaltige Mahlzeiten essen und dir die Wirkung von FPE zunutze machen, und/oder dein Insulin entsprechend anpassen.

Für Betroffene von Typ 1 Diabetes gibt es vieles zu beachten - Übung macht die/den Meister/in!

In Bezug auf Sport und Bewegung ist es besonders wichtig, dass du deinen Körper gut kennst und dich langsam herantastest, wie dein Blutzucker auf unterschiedliche Faktoren reagiert.

Kein Sport ist auch keine Lösung

Manche Menschen mit  Typ 1 Diabetes trauen sich nicht, regelmäßig Sport zu treiben, weil sie Angst vor einer Unterzuckerung haben. Mit den richtigen Maßnahmen ist diese Sorge aber unbegründet, denn: Sport bewirkt eine Menge Positives - auch bzw. gerade bei Menschen mit Typ 1 Diabetes. Sieh dir gerne unsere Liste mit zahlreichen Vorteilen an.

Blutzucker vor, während und nach dem Sport kontrollieren

Grundsätzlich empfehlen wir dir, deinen Blutzucker vor, während und nach dem Sport zu kontrollieren, damit du bei Bedarf frühzeitig reagieren kannst.

Vor Beginn der körperlichen Aktivität sollte der Blutzuckerwert unter 250 mg/dl beziehungsweise 13,5 mmol/l1 liegen. Bei aerober Belastung ist ein Wert zwischen 130 und 180 mg/dl1 beziehungsweise 7 und 10 mmol/l1 ideal; bei anaerober Belastung gelten 90 bis 130 mg/dl1 beziehungsweise 5 bis 7 mmol/l1 als gut.

Wichtig: Nutze diese und die folgenden Werte zur Anpassung von Insulin und Kohlenhydratzufuhr als grobe Orientierung. In der Praxis können sie von Person zu Person abweichen. Daher ist es unbedingt notwendig, dass du vorsichtig ausprobierst und deinen Körper umfassend kennenlernst. Dabei unterstützen wir dich in unserem Online-Kurs. Besprich dich auch stets mit deinem Diabetes-Team.

Was tun, wenn du aeroben Sport treiben willst, aber…

…der Blutzuckerspiegel unter 90 mg/dl1 beziehungsweise 5 mmol/l1 liegt?

Dann nimm besser noch geeignete Kohlenhydrate zu dir. Wenn's schnell gehen muss, ist Saft oder ein Softdrink, Traubenzucker oder bspw. auch eine reife Banane hilfreich. Bei nicht ganz so tiefen Werten aber sinkender Tendenz sind komplexere Kohlenhydrate, wie bspw. Müsliriegel hilfreicher. Warte nach dem Energiesnack etwas ab, bevor du mit dem Sport startest.

…der Blutzuckerwert über 250 mg/dl1 beziehungsweise 13,5 mmol/l1 liegt?

Dann miss Ketone. Ist der Ketontest positiv, darfst du keinesfalls Sport treiben! Ansonsten riskierst du eine diabetische Ketoazidose, also eine lebensgefährliche Übersäuerung des Blutes. Hier ist allerhöchste Vorsicht geboten!

Während der Aktivität bleibt der Wert bestenfalls im Zielbereich. Ist dies nicht der Fall, kannst du dich an folgenden Richtwerten orientieren (siehe auch diabinfo oder Leitfaden der Internationalen Diabetes Förderation). Liegt der Wert

  • unter 55 mg/dl1 oder 3 mmol/l1? Unterbrich den Sport und lass den Wert mit schnellen UND langsamen Kohlenhydraten wieder steigen. Setze dein Training erst fort, wenn du stabil zurück im Zielbereich bist.

  • unter 70 mg/dl1 oder 4 mmol/l1? Unterbrich den Sport und konsumiere schnelle Kohlenhydrate, etwa Traubenzucker, einen Saft oder Glukose-Gel. Pausiere so lange, bis der Wert wieder im Zielbereich ist.

  • zwischen 90 - 130 mg/dl1 oder 5 - 7 mmol/l1 mit horizontalem Trendpfeil auf deinem Messgerät oder Pumpe? Nimm zehn bis 15 Gramm Kohlenhydrate zu dir.

  • zwischen 90 - 130 mg/dl1 oder 5 - 7 mmol/l1 mit leicht fallendem Pfeil? Nimm umgehend 15 bis 25 Gramm hauptsächlich Kohlenhydrate zu dir. Unterstütze bei Bedarf mit komplexen Kohlenhydraten. Warte etwas ab, bevor du mit dem Sport weitermachst.

  • zwischen 90 - 130 mg/dl1 oder 5 - 7 mmol/l1 mit stark fallendem Pfeil? Nimm sofort 20 bis 35 Gramm schnelle Kohlenhydrate zu dir. Unterstütze bei Bedarf mit komplexen Kohlenhydraten. Warte unbedingt ausreichend lange ab, bevor du deine Sporteinheit fortsetzt.

  • über 250 mg/dl1 beziehungsweise 13,5 mmol/l1? Überwache deinen Ketonspiegel und korrigiere entsprechend mit Insulin, bevor du das Training wieder aufnimmst.

Bei besonders anstrengendem oder lange andauerndem Sport kann die Nahrungsaufnahme durch den Magen verlangsamt oder gar nicht mehr funktionieren. Dann helfen nur schnelle, flüssige Nahrungsmittel gegen Unterzuckerungen. Feste Snacks wie Müsliriegel würden nicht rechtzeitig wirken. Greife daher bei intensiven Einheiten lieber zu flüssigen Nahrungsmitteln (z.B. Saft oder Glukose-Gel).

Nach dem Sport gilt: Innerhalb der ersten 90 Minuten sollte der Blutzuckerwert zwischen 80 und 180 mg/dl1 beziehungsweise 4,5 und 10 mmol/l1 liegen. Ist er niedriger? Dann verzehre 10 bis 15 Gramm Kohlenhydrate.

Grundsätzlich empfehlen wir dir, nach dem Sport komplexe Kohlenhydrate (z.B. Vollkornprodukte) und FPE zu essen. Auf diese Weise kannst du deinen Blutzuckerwert über längere Zeit stabil halten.

Time in Range und Langzeit-Blutzuckerwert HbA1c

Für Menschen mit Diabetes Typ 1 gehört es dazu, regelmäßig den Blutzucker zu messen. Dabei gibt es zwei Parameter:

  • die Time in Range (Abk. TIR) und im Deutschen 'Zeit im Zielbereich' und

  • den Langzeit-Blutzuckerwert HbA1c.

Die Aussagekraft der beiden Werte ist sehr unterschiedlich, insbesondere auch im Zusammenhang mit Sport.

Die Time in Range zeigt an, wieviel Zeit der Blutzuckerspiegel am Tag im Zielbereich lag. Dieser Zielbereich beträgt standardmäßig 70 bis 180 mg/dl1 beziehungsweise 3,9 bis 10 mmol/l1. Mit der TIR kannst du beurteilen, wie gut du deinen Blutzuckerspiegel im Griff hast. Wichtiger als der HbA1c ist es, so viel Zeit wie möglich im Zielbereich zu verbringen – also eine möglichst hohe Time in Range zu erreichen.

Der Langzeitmarker HbA1c spiegelt den durchschnittlichen Blutzuckerwert der letzten zwei bis drei Monate wider. Im Gegensatz zur Time in Range sagt er jedoch nichts darüber aus, ob es innerhalb dieses Zeitraums zu starken Schwankungen oder (schweren) Unter- und/oder Überzuckerungen gekommen ist. Folglich kann ein Mensch mit Typ 1 Diabetes auch selbst bei relativ starken Schwankungen des Blutzuckerspiegels einen zufriedenstellenden HbA1c-Wert aufweisen. Deshalb gilt die TIR als die aussagekräftigere Kennzahl.

Beim Sport mit Diabetes Typ 1 solltest du einen starken Abfall oder Anstieg des Blutzuckers vermeiden. Das heißt: Konzentriere dich beim Sport anfangs hauptsächlich darauf, den Blutzuckerwert möglichst im für Sport geeigneten Bereich zu halten. Das ist ein guter Indikator, um zu erkennen, ob du gut auf deine körperlichen Aktivitäten eingestellt bist. 

Wir empfehlen dir, die Zeit im Zielbereich vor allem während der ersten Phase deines sportlichen Neu- oder Wiedereinstiegs konsequent im Auge zu behalten. Sie signalisiert dir fortlaufend, ob du noch etwas verändern solltest oder bereits gut eingestellt bist. Bedenke auch, dass hohe Time in Range Werte einiges an Aufwand bedeuten, erwarte also nicht zu schnell zu viel von dir, sondern gib dir ein wenig Zeit zu lernen.

Lege dir zu diesem Zweck am besten ein Sporttagebuch an, in dem du die Time in Range, deine Mahlzeiten/Kohlenhydratzufuhr sowie die Bewegungsart, -intensität und -dauer einträgst, jeweils mit der genauen Tageszeit. Jedes festgehaltene Detail hilft dir, die verschiedenen Aspekte so aufeinander abzustimmen, dass die Insulindosis, das Essen und der Sport perfekt zusammenpassen.

In unserem kostenlosen Online-Kurs erwartet dich eine Vorlage für ein solches Tagebuch zum Download. Zudem stellen wir dir verschiedene Übungen und Trainingsformen vor. Mit diesen findest du heraus, welche Maßnahmen am besten zu dir und deinem Blutzucker passen.

Die richtige Ernährung und Kohlenhydratzufuhr ist entscheidend

Wie für alle Menschen empfiehlt sich auch für Personen mit Typ 1 Diabetes in erster Linie eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung bestehend aus nährstoffreichen und ballaststoffreichen sowie wenig verarbeiteten Lebensmitteln. Stimme sie gezielt auf deine sportlichen Vorhaben ab.

Die Nahrungszufuhr vor, während und nach dem Sport sollte in Umfang und Zusammensetzung optimal mit deiner individuellen Stoffwechsellage sowie der Bewegungsart und -intensität harmonieren. Keine Sorge, das bekommst du mit ein bisschen Experimentieren gut hin.

Was genau zu tun ist, welche Kohlenhydrate wann am besten geeignet sind, wie du sie richtig für Bewegung und Sport kombinierst und was du essen solltest, um Über- und Unterzuckerungen zu vermeiden, lernst du in unserem Online-Kurs.

Das Sporttagebuch hilft dir zusätzlich, alle Maßnahmen und Erkenntnisse deines Trainings zu dokumentieren. Eine Vorlage steht dir in unserem Kurs zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Insbesondere gesunde Kohlenhydrate und Proteine sind in deinem Speiseplan besonders wichtig, wenn du Krafttraining machen und gezielt Muskeln aufbauen willst. Darüber hinaus helfen dir komplexe Kohlenhydrate und FPE, den Blutzucker in den Stunden nach dem Sport stabil zu halten.

1 die hier abgebildeten Einheiten in mg/dl und mmol/l sind als Richtwerte zu verstehen. Sie entsprechen nicht exakt dem Umrechnungsfaktor von 18 mg/dl pro mmol/l. Wir haben uns zur besseren Verständlichkeit für runde Zahlen entschieden.

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