Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1

Du lebst mit Diabetes Typ 1 und willst ein Kind bekommen, bist dir aber unsicher, ob die Stoffwechselerkrankung mit einer Schwangerschaft kompatibel ist? Dann können wir dich beruhigen: Eine Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1 ist absolut möglich. Zwar geht sie mit verschiedenen Risiken für dich und dein Kind einher, doch du kannst einiges dafür tun, um diese stark zu reduzieren und nach rund neun Monaten ein gesundes Baby zur Welt zu bringen.
In unserem Beitrag widmen wir uns ausführlich den Besonderheiten einer Schwangerschaft mit Typ 1 Diabetes. Nach einem ersten groben Überblick zu den wichtigsten Aspekten beschreiben wir jede einzelne Phase vom Kinderwunsch bis zum Stillen detailliert. Wir erklären, was vor der Schwangerschaft, im ersten, zweiten und dritten Trimester sowie bei und nach der Geburt jeweils zu beachten ist – stets im Kontext zu Diabetes Typ 1.
Hinweis: Unser Ratgeber richtet sich primär an Frauen. Allerdings ist er auch für werdende Väter interessant. Die Informationen können helfen, die schwangere Partnerin mit Diabetes Typ 1 besser zu verstehen und während der Schwangerschaft optimal zu unterstützen.
Kann ich mit Diabetes Typ 1 “normal” schwanger werden?
Frauen mit Typ 1 Diabetes können mittlerweile in der Regel problemlos auf natürlichem Wege schwanger werden. Eine sorgsame Planung vor und gute Kontrolle während der Schwangerschaft vorausgesetzt, lassen sich potenzielle Risiken für Mutter und Kind stark reduzieren. Auf die Planung und Kontrolle sowie mögliche Risiken gehen wir weiter unten ausführlich ein.
Normalerweise wirkt sich Diabetes Typ 1 nicht negativ auf die Fruchtbarkeit der Frau aus. Wenn du von der Stoffwechselerkrankung betroffen bist und Schwierigkeiten hast, schwanger zu werden, stecken gemeinhin andere Ursachen dahinter, beispielsweise eine zusätzliche Erkrankung wie Endometriose oder das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS).
Endometriose kann durch Vernarbungen, Entzündungen und Probleme mit der Einnistung des Embryos die Fruchtbarkeit verschlechtern.
Das Polyzystische Ovarialsyndrom ist eine hormonelle Erkrankung, die den weiblichen Zyklus stört und zu Unfruchtbarkeit führen kann.
Auch die Potenz beeinträchtigende Probleme beim Mann können der Grund dafür sein, dass du nicht schwanger wirst. Wenn bei dir gesundheitlich abgesehen vom Typ 1 Diabetes soweit alles in Ordnung ist, sollte sich somit auch dein Partner umfassend untersuchen lassen.
Wie sich Diabetes Typ 1 auf die Schwangerschaft auswirkt
Eine Schwangerschaft mit Typ 1 Diabetes ist eine Risikoschwangerschaft, die dir sowohl körperlich als auch emotional bzw. generell psychisch einiges abverlangen kann. Physisch kann sich deine Stoffwechselerkrankung auch auf die Entwicklung des Kindes auswirken.
Mögliche physische Auswirkungen im Überblick
Auf dich…
Schwankender Insulinbedarf: Dein Insulinbedarf verändert sich im Laufe der Schwangerschaft – erst fällt er ab, dann steigt er wieder an. Nach der Geburt sinkt er wieder. Diese Veränderungen erfordern die stetige Anpassung der Insulintherapie.
Erhöhtes Risiko für Komplikationen: Als Schwangere mit Diabetes Typ 1 hast du ein erhöhtes Risiko für Unterzuckerungen, Infektionen, eine Präeklampsie und eine Früh- oder Fehlgeburt. Zudem kann ein Kaiserschnitt notwendig sein.
Auf dein Kind…
Risiko für Fehlbildungen sowie eine Früh- oder Fehlgeburt: Ist dein Blutzucker vor und während der Schwangerschaft schlecht eingestellt, kann es beim Kind zu Fehlbildungen verschiedener Organe kommen. Auch Früh- oder Fehlgeburt sind potenzielle Risiken.
Risiko für Probleme nach der Geburt: Das Kind einer Mutter mit Diabetes Typ 1 hat ein erhöhtes Risiko für Unterzuckerungen, Neugeborenen-Gelbsucht und Atemprobleme. Langfristig besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Typ 1 Diabetes.
Auf all diese körperlich-medizinischen Aspekte gehen wir im weiteren Verlauf ausführlicher ein.
Übersicht zu potenziellen emotionalen/psychischen Auswirkungen
Die Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1 kann dich emotional und psychisch stark belasten. Betroffene tun sich teilweise schon schwer damit, die Auswirkungen der Stoffwechselerkrankung auf das eigene Leben zu verarbeiten und gut mit den Herausforderungen umzugehen. Umso beängstigender kann es mitunter sein, durch die Schwangerschaft nicht mehr nur für sich allein, sondern auch für ein zweites Wesen verantwortlich zu sein.
Manche schwangeren Frauen mit Typ 1 Diabetes empfinden Schuldgefühle, wenn sie es nicht schaffen, die allgemeinen und diabetesspezifischen Anforderungen der Schwangerschaft optimal zu bewältigen. Die Notwendigkeit der besonders intensiven Blutzuckerkontrolle gepaart mit der ständigen Sorge um die eigene Gesundheit und die des heranwachsenden Babys kann erheblichen psychischen Stress auslösen und zum sogenannten Diabetes Distress führen. In unserem Beitrag über die psychischen Folgen von Diabetes Typ 1 befassen wir uns genauer mit diesem Thema (LINK).
ABER: Die Schwangerschaft kann auch in erster Linie positive Gefühle freisetzen, wenn du es zulässt bzw. aktiv optimistisch denkst. Mit einem solchen Mindset hilfst du deiner psychischen ebenso wie deiner physischen Verfassung und somit auch deinem Kind dabei, sich prächtig zu entwickeln. Überhaupt brauchst du dich nicht zu sehr zu sorgen, wenn du von einem erfahrenen Diabetes-Team mit SpezialistInnen aus Diabetologie und Gynäkologie betreut wirst, auf ein gutes Diabetes-Management achtest und die empfohlenen regelmäßigen Untersuchungen wahrnimmst. Also Kopf hoch – du könntest (bald) ein kleines Wunder in dir tragen und die Herausforderungen einer Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1 hervorragend meistern, wenn du dich gut darauf vorbereitest.
Hormonelle Veränderungen und ihr Einfluss auf den Blutzucker
Für einen guten Schwangerschaftsverlauf mit Typ 1 Diabetes und eine gesunde Entwicklung des Kindes ist es entscheidend, dass deine Blutzuckerwerte individuell möglichst optimal eingestellt sind – schon vor, aber natürlich auch während der Tragzeit. Die natürlichen Hormonschwankungen in der Schwangerschaft erschweren dies jedoch – umso mehr mit Diabetes Typ 1. Bis etwa zur 14. Schwangerschaftswoche sinkt der Insulinbedarf; ungefähr ab Mitte der Schwangerschaft steigt er dann steil an, um bei und nach der Geburt wieder stark abzufallen. Unter diesen Umständen mit Typ 1 Diabetes ein gutes Blutzuckermanagement zu gewährleisten, ist herausfordernd, aber machbar, wenn du ein kompetentes Diabetes-Team an deiner Seite hast. Auch speziell für die Schwangerschaft zugelassene AID-Systeme können hier eine große Erleichterung sein. Aktuell sind die Medtronic 780G und der mylife Loop für Schwangere in Deutschland zugelassen.
Potenzielle Risiken für Mutter und Kind
Eine Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1 birgt potenzielle Risiken für Mutter und Kind. Bevor wir diese konkret benennen, möchten wir jedoch noch einmal betonen, dass diese mit einer guten Vorbereitung deutlich reduziert werden können. Das Wichtigste für dich als werdende Mutter mit Typ 1 Diabetes ist, dass du deinen Blutzucker gut unter Kontrolle hast und dich darüber hinaus an die allgemeinen “Regeln” für Schwangere hältst.
Mögliche Risiken für die Mutter
Die Risiken für Schwangere mit Diabetes Typ 1 hängen hauptsächlich mit einem zu hohen oder zu niedrigen Blutzucker (Über- und Unterzuckerungen) sowie mit diabetesbedingten Folgeerkrankungen zusammen.
Zu hoher Blutzucker im Schwangerschaftsverlauf: Hier besteht die Gefahr, dass das Kind zu groß und – mit einem Geburtsgewicht über 4500 Gramm – zu schwer wird, was zu Komplikationen bei der Geburt führen und/oder eine Entbindung per Kaiserschnitt erforderlich machen kann.
Unterzuckerungen: Vor allem im ersten Trimester der Schwangerschaft neigen werdende Mütter mit Typ 1 Diabetes zu Unterzuckerungen, besonders nachts. Dies liegt daran, dass der Insulinbedarf in dieser Phase der Schwangerschaft reduziert ist, weshalb die Insulintherapie eventuell vorübergehend angepasst werden muss. Besprich dich diesbezüglich mit deinem Diabetes-Team. Im zweiten und dritten Trimester sinkt das Risiko für Unterzuckerungen wieder.
Diabetesbedingte Folgeerkrankungen (LINK): Bist du von diabetesbedingten Folgeerkrankungen betroffen, beispielsweise an den Augen, Nerven oder Nieren, können sich diese während der Schwangerschaft (vorübergehend) verschlechtern. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass du sie vor, während und bis zu zwölf Monate nach der Schwangerschaft engmaschig kontrollieren lässt, damit bei Bedarf rechtzeitig eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden kann.
Weitere potenzielle Risiken für Schwangere mit Diabetes Typ 1:
Infektionen der Geschlechts- und Harnorgane: Bei werdenden Müttern mit Diabetes treten häufiger Infektionen der Geschlechts- und Harnorgane auf, die wiederum eine Frühgeburt zur Folge haben können. Daher solltest du dich auch dahingehend während deiner Schwangerschaft regelmäßig untersuchen lassen.
Bluthochdruck und Präeklampsie: Im späteren Schwangerschaftsverlauf kann Bluthochdruck entstehen, der die Gefahr für Schlaganfall, Herzinfarkt, Nierenschäden und langfristige Herz-Kreislauf-Probleme sowie für das Auftreten einer Präeklampsie erhöht. Diese schwangerschaftsspezifische Erkrankung, auch Gestose oder Schwangerschaftsvergiftung genannt, tritt nach der 20. Schwangerschaftswoche auf und ist abgesehen vom erhöhten Blutdruck durch eine vermehrte Ausscheidung von Eiweiß im Urin gekennzeichnet. Eine Präeklampsie muss unbedingt behandelt werden. Ansonsten kann es zu einer Eklampsie, der schwersten Komplikation der Präeklampsie, kommen, die mit generalisierten Krampfanfällen einhergeht und lebensbedrohlich ist.
Du kannst deinen Blutdruck mit einem entsprechenden Messgerät auch selbst täglich kontrollieren und dich bei Auffälligkeiten frühzeitig an deinen Arzt oder deine Ärztin wenden. Auf diese Weise beugst du einer Präeklampsie und vor allem einer Eklampsie zuverlässig vor.
Mögliche Risiken für das Kind
Auch für das Kind sind zu hohe oder zu niedrige Blutzuckerwerte der Mutter vor und während der Schwangerschaft potenziell problematisch. Seine inneren Organe entwickeln sich bereits zu Beginn der Tragzeit. Ist dein Blutzucker in dieser Phase nicht optimal eingestellt, kann es beim Nachwuchs zu Fehlbildungen kommen, insbesondere an Herz, Lunge und Nervensystem. Außerdem steigt das Risiko für Früh- und Fehlgeburten.
Kinder von Müttern mit Diabetes Typ 1 neigen direkt nach der Geburt zu Unterzuckerungen und zur sogenannten Neugeborenen-Gelbsucht sowie zu Problemen mit der Atmung. Auch dem kann in Abstimmung mit deinem Diabetes-Team, der Hebamme und Gynäkologe entgegengewirkt werden.
Vererbe ich Diabetes Typ 1 an mein Kind?
Diabetes Typ 1 ist zum Teil genetisch bedingt, sodass die Veranlagung für die Stoffwechselerkrankung vererbt werden kann. Ungefähr drei von 100 Kindern, deren Mütter mit Diabetes Typ 1 leben, entwickeln später auch einen Typ 1 Diabetes. Erfahre hier mehr über die Ursachen von Diabetes Typ 1 – unter anderem, wie hoch das Vererbungsrisiko ist, wenn der Vater, beide Elternteile oder Geschwister von Typ 1 Diabetes betroffen sind.
Ob du die Veranlagung für Diabetes Typ 1 an deinen Nachwuchs vererbt hast, lässt sich dank moderner Methoden zur Früherkennung schon in den ersten Lebensjahren deines Kindes herausfinden. Nehmt zu diesem Zweck an der Fr1da-Studie teil.
Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1 vom Kinderwunsch bis zum Stillen
Nach dieser grundlegenden Einführung möchten wir dich jetzt auf eine kleine Reise mitnehmen, auf der du deine Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1 schon einmal gedanklich durchleben kannst, bevor tatsächlich ein neues, wunderbares Lebewesen in dir heranwächst. Wir erklären dir im Folgenden, worauf es vor und während der Schwangerschaft mit Typ 1 Diabetes sowie bei und nach der Geburt im Wesentlichen ankommt. Betrachte unsere Ausführungen als eine Art Leitlinie: Wenn du deine Schwangerschaft entsprechend angehst, stehen deine Chancen, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen und gleichzeitig deine eigene körperliche Verfassung im grünen Bereich zu halten, sehr gut. In unserem Interview erzählt Kathi Korn von ihren drei Schwangerschaften und wie sie diese gemeistert hat. (LINK)
Kinderwunsch und Schwangerschaft – Vorbereitung und Planung
Auch ohne Diabetes Typ 1 sollten sich Frauen mit dem Wunsch, ein Kind zu bekommen, gut auf die Schwangerschaft vorbereiten, um dem Nachwuchs die bestmöglichen Voraussetzungen für seinen Eintritt ins Leben zu schaffen. Mit der Stoffwechselerkrankung an Bord gilt das noch mehr, weil gerade die Schaffung der optimalen Voraussetzungen unter diesen Umständen komplizierter ist. Das beweist schon allein das bei werdenden Müttern mit Diabetes Typ 1 ungefähr 5-fach erhöhte Risiko für eine Frühgeburt – also eine Geburt vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche. Aber keine Sorge: Durch eine gezielte präkonzeptionelle Beratung sowie eine gute Blutzuckereinstellung und -kontrolle kannst du Komplikationen während der Schwangerschaft sowie bei und nach der Geburt von vornherein entgegenwirken.
Konkret bedeutet das: Besprich deinen Kinderwunsch sowohl mit deinem Diabetes-Team, das bestenfalls auf Schwangerschaften spezialisiert ist, als auch mit deinem Frauenarzt oder deiner Frauenärztin. Tauscht euch nach Möglichkeit alle gemeinsam aus und plant deine Schwangerschaft von Grund auf sorgfältig. Am wichtigsten ist es, deinen Blutzucker optimal einzustellen, damit du eine Schwangerschaft ohne Komplikationen erlebst. Darüber hinaus solltest du dich bereits vor der Empfängnis auf diabetische, aber auch nicht diabetesbedingte Begleiterkrankungen untersuchen lassen: Bedeutsam sind insbesondere die Augen, Nerven und Nieren, der Blutdruck sowie gegebenenfalls Fruchtbarkeitsuntersuchungen, falls du Schwierigkeiten hast, schwanger zu werden.
Wichtig: Du bist ungeplant schwanger geworden? Dann raten wir dir, dich umgehend an dein Diabetes-Team und deinen Gynäkologen oder deine Gynäkologin zu wenden, um mit den Fachkräften alles Weitere zu deiner Schwangerschaft mit Typ 1 Diabetes zu besprechen.
Tabelle: Überblick zu den wichtigsten Untersuchungen, die du vor, während und nach der Schwangerschaft wahrnehmen solltest:
Untersuchung | Zeitpunkt | Häufigkeit | Genauer Zeitpunkt |
---|---|---|---|
Ultraschall zur Kontrolle der Kindesentwicklung | Während der Schwangerschaft | Mindestens 3 Mal (gemäß Mutterschaftsrichtlinien); Zusatzuntersuchungen sind bei Diabetes Typ 1 möglich und sinnvoll | Je 1 Mal zwischen der 8. und 12., 11. und 14. sowie 28. und 32. Schwangerschaftswoche; ab der 24. Schwangerschaftswoche empfehlen sich Kontrolluntersuchungen alle 2 bis 4 Wochen, bei Auffälligkeiten auch kürzere Intervalle |
Ultraschall-Feinuntersuchung der kindlichen Organe | Während der Schwangerschaft | Einmalig | Zwischen der 19. und 22. Schwangerschaftswoche, eventuell erneut zwischen der 29. und 32. Schwangerschaftswoche |
Blutzucker | Vor, während und nach der Schwangerschaft | Kontinuierlich | Je 1 Mal kurz vor und ca. 1 Stunde nach jeder Mahlzeit sowie abends vor dem Schlafen |
Time in Range | Vor, während und nach der Schwangerschaft | Kontinuierlich | Täglich |
HbA1c (Blutzucker-Langzeitwert) | Vor, während und nach der Schwangerschaft | Regelmäßig | Alle 4 bis 6 Wochen |
Augenärztliche Untersuchung auf Netzhautschäden (Retinopathie) | Vor, während und nach der Schwangerschaft | Regelmäßig | 1 Mal vor, 1 Mal in den ersten Wochen der Schwangerschaft und anschließend alle 3 Monate bis ein Jahr nach der Geburt |
Blutdruck (und Eiweißausscheidung im Urin – Stichwort Präeklampsie) | Während der Schwangerschaft | Regelmäßig | Spätestens nach der 20. Schwangerschaftswoche am besten täglich, je nach Beschwerden oder bei Krankheitsanzeichen auch früher |
Schilddrüsenwerte | Vor, während und nach der Schwangerschaft | Regelmäßig | Alle 4 bis 6 Wochen |
HbA1c-Wert und Zielbereiche vor der Schwangerschaft
Wenn du mit Diabetes Typ 1 lebst und schwanger werden willst, solltest du deinen Blutzucker schon vor der Schwangerschaft bestmöglich in den Griff bekommen, um Risiken für dein Kind und dich selbst zu minimieren. Allgemein empfohlen sind mittlere Blutzuckerwerte zwischen 90 und 110 mg/dl (5,0 bis 6,1 mmol/l) sowie ein HbA1c-Wert unter sieben Prozent (53 mmol/mol). Diesen Zielbereich für den Blutzucker-Langzeitwert solltest du bereits drei Monate vor der Empfängnis erreichen und langfristig halten. Bedeutsam ist auch eine hohe Time in Range (TIR) von mindestens 70 Prozent.
Hier die Zielwerte vor der Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1 noch einmal im Überblick:
Blutzuckerwerte: zwischen 90 und 110 mg/dl (5,0 bis 6,1 mmol/l)
HbA1c-Wert: < 7 %
Time in Range: > 70%*
Achtung: Für die Zeit vor und während der Schwangerschaft empfiehlt die DDG einen angepassten Zielbereich von 63 bis 140 mg/dl (3,5 bis 7,7 mmol/l) statt der sonst für Menschen mit Diabetes Typ 1 üblichen TIR-Norm von 70 bis 180 mg/dl (3,9 bis 10,0 mmol/l).
Diese Richtwerte dienen lediglich zur groben Orientierung. Im Einzelfall können die Zielwerte von den obigen Angaben abweichen. Ermittle zusammen mit deinem Diabetes-Team und deinem Gynäkologen oder deiner Gynäkologin, welche “klassischen” Blutzucker- und HbA1c- Werte du anstreben solltest.
Tipp: Deine Blutzuckerwerte und die Time in Range kannst du mit einem CGM-System einfach selber überprüfen. Den HbA1c-Wert und darüber hinaus auch den Blutdruck, die Blutfettwerte sowie die Schilddrüsenwerte (um Über- oder Unterfunktion auszuschließen) solltest du von deinem behandelnden Arzt oder deiner behandelnden Ärztin checken lassen. Wenn du einen hohen Blutdruck hast bzw. zu Bluthochdruck neigst, ist schon beim Kinderwunsch die Behandlung mit schwangerschaftsverträglichen Medikamenten bedeutsam.
Anpassung der Insulintherapie
Gegebenenfalls musst du deine Insulintherapie vor Beginn der Schwangerschaft anpassen. Besprich mit deinem Diabetes-Team, ob es sinnvoll wäre, auf ein anderes Insulinpräparat oder eine andere Therapietechnik umzusteigen.
Welche Technologie ist am besten geeignet? Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. In jedem Fall solltest du jedoch – wie oben beschrieben – während der Schwangerschaft ein CGM-System zur Blutzucker- bzw. Gewebezuckermessung anwenden. Da ein solches mittlerweile ohnehin schon Standard für die Insulintherapie ist, kommt dahingehend nichts Neues oder Spezielles auf dich zu. Vermutlich bist du bereits bestens damit vertraut. Welches System für dich am besten geeignet ist, besprichst du am besten mit deinem Diabetes-Team oder mit Menschen, die bereits mit Typ 1 Diabetes ein Kind bekommen haben.
Zum Verabreichen des Insulins kannst du einen Insulinpen oder eine Insulinpumpe verwenden, je nachdem, was du bevorzugst. Übrigens: Wenn du überzeugte Pumpennutzerin bist und den Katheter am liebsten am Bauch trägst, brauchst du dir keine Sorgen zu machen: Du kannst ihn auch während der Schwangerschaft problemlos dort anbringen. Zwischen Bauchdecke und Gebärmutter ist so viel Platz, dass der Katheter überhaupt nicht stört. Sollte für die Geburt ein Kaiserschnitt notwendig sein, kann der Katheter für die Dauer des Eingriffs beispielsweise auf den Oberschenkel ausweichen.
Vielleicht ist sogar ein hybrides Closed-Loop-System interessant für dich. Bei dieser modernsten Form der Insulintherapie bei Diabetes Typ 1 sind Insulinpumpe und CGM-Sensor miteinander verbunden, sodass die Pumpe die Verabreichung des Insulins stets passend auf die gemessenen Gewebezuckerwerte abstimmen kann, um so eine optimale Versorgung deines Körpers zu gewährleisten. In Deutschland stehen bereits mehrere hybride Closed-Loop-Systeme zur Verfügung, allerdings sind davon bislang nur wenige für den Einsatz während der Schwangerschaft offiziell zugelassen. Auf der Webseite der AG Diabetes und Technologie kannst du dir einen Überblick über verfügbare hybride Closed-Loop-Systeme verschaffen. In den Steckbriefen findest du auch Informationen dazu, ob das jeweilige Gerät in der Schwangerschaft zugelassen ist.
Unter bestimmten Voraussetzungen bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen den Einsatz/Wechsel eines hybriden Closed-Loop-Systems. Lass dich diesbezüglich von deinem Diabetes-Team beraten.
Wie alle werdenden Mütter sollten auch Schwangere mit Diabetes Typ 1 die Ernährung auf den besonderen Kalorien- und Nährstoffbedarf in der Schwangerschaft abstimmen. Was das genau bedeutet, erfährst du weiter unten im Extra-Kapitel zur Ernährung.
Schwangerschaftsverlauf – Kontrolle und Anpassung
Während der Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1 geht es im Wesentlichen um ein sehr gutes Blutzuckermanagement sowie regelmäßige ärztliche Untersuchungen einschließlich der pränatalen Diagnostik. Welche Checks du wann und wie oft durchführen lassen solltest, kannst du unserer Tabelle weiter oben entnehmen. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die Blutzuckerkontrolle im ersten, zweiten und dritten Trimester sowie nach der Entbindung.
Veränderungen des Blutzuckers und Insulinbedarfs in den einzelnen Phasen der Schwangerschaft
Beeinflusst durch die Schwangerschaftshormone ändern sich der Blutzucker und damit auch der Insulinbedarf im Verlauf der Schwangerschaft bis zur Geburt des Kindes. Dementsprechend musst du die Insulindosis von Trimester zu Trimester relativ stark anpassen und generell besonders häufig deinen Blutzucker messen und bei Bedarf eingreifen.
Sehen wir uns das einmal ein wenig genauer an:
Im ersten Trimester sinkt der Insulinbedarf, sodass du ggf. weniger Insulin spritzen musst, um Unterzuckerungen zu vermeiden.
Ab dem zweiten Trimester steigt der Insulinbedarf stark an, um bis zu 50 % – und im dritten Trimester sogar um 70 bis 100 % im Vergleich zum ersten Schwangerschaftsdrittel. Folglich musst du deine Insulindosis wieder erhöhen.
Mit der Entbindung fällt der Blutzucker drastisch ab, sodass du das Insulin deutlich nach unten korrigieren solltest.
Hypoglykämie- und Ketoazidose-Risiken reduzieren
Da der Insulinbedarf im ersten Drittel der Schwangerschaft sinkt, hast du in dieser Phase ein erhöhtes Risiko für Unterzuckerungen, vor allem nachts. Im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel ist genau das Gegenteil der Fall: Dein Blutzucker steigt rapide an, sodass es zu Überzuckerungen und eventuell zu einer Ketoazidose (Übersäuerung des Blutes durch Ketone infolge eines starken Insulinmangels) kommen kann. Mehr über die Symptome und Maßnahmen von Unter- und Überzuckerungen sowie Ketoazidose erfährst du in unserem Beitrag zu den Komplikationen bei Diabetes Typ 1.
Um Unter- und Überzuckerungen bis hin zur Ketoazidose während der Schwangerschaft vorzubeugen, ist es ungeheuer wichtig, dass du deinen Blutzucker engmaschig kontrollierst und von Trimester zu Trimester sowie bei Bedarf auch innerhalb einer bestimmten Schwangerschaftsphase die erforderlichen Anpassungen vornimmst.
Miss deinen Blutzucker mindestens siebenmal täglich: je einmal vor jeder Mahlzeit und eine Stunde danach sowie vor dem Schlafengehen. Der Mittelwert sollte zwischen 90 und 110 mg/dl (5,0 bis 6,1 mmol/l) liegen. Hier noch eine Übersicht zu den je nach Messzeitpunkt konkret empfohlenen Blutzuckerwerten für Schwangere mit Typ 1 Diabetes gemäß DDG:
Vor dem Essen: 65 bis 95 mg/dl (3,6 bis 5,3 mmol/l)
1 Stunde nach dem Essen: < 140 mg/dl (< 7,8 mmol/l)
2 Stunden nach dem Essen: < 120 mg/dl (< 6,7 mmol/l)
Vor dem Schlafengehen (etwa 22 bis 23 Uhr): 90 bis 120 mg/dl (5,0 bis 6,7 mmol/l)
Nachts (etwa 2 bis 4 Uhr): > 65 mg/dl (> 3,6 mmol/l)
Damit du stets frühzeitig auf zu niedrige oder zu hohe Werte aufmerksam wirst, ist der Einsatz eines CGM-Systems zur kontinuierlichen Glukosemessung ideal. Dabei trägst du einen Sensor im Unterhautfettgewebe, beispielsweise am Oberarm. Fällt der Blutzucker stark ab oder steigt zu sehr an, alarmiert dich das System sofort, sodass du frühzeitig intervenieren und so eine Unter- oder Überzuckerung vermeiden kannst – denn natürlich wird das System so eingestellt, dass du das Signal schon bei Gewebezuckerwerten erhältst, die zwar in die ungünstige Richtung tendieren, aber noch nicht wirklich im roten Bereich sind.
Wenn du deinen Blutzucker aus irgendeinem Grund nur klassisch – also “blutig” – messen kannst, solltest du gegen 23 Uhr noch einmal in die Fingerbeere pieksen, um das Risiko für eine nächtliche Unterzuckerung abzuschätzen.
Informiere unbedingt deinen Partner oder deine Partnerin sowie dein sonstiges Umfeld – beispielsweise Freunde und Freundinnen sowie Kollegen und Kolleginnen auf der Arbeit – darüber, wie sie dir im Falle einer schweren Unter- oder Überzuckerung richtig helfen. Beachte, dass eineschwere Unterzuckerung oder eine Ketoazidose schon per se eine Notfallsituation ist – wenn du zudem schwanger bist, gilt das umso mehr. Kläre vorab mit deinem Diabetes-Team, ab welcher Blutzuckerhöhe du zusätzlich Ketone im Urin oder Blut messen solltest.
Extra 1: Ernährung während der Schwangerschaft
Eine ausgewogene Ernährung während der Schwangerschaft ist wichtig für deine Gesundheit und die deines Kindes. Keine Sorge, du musst nicht wirklich “für zwei” essen, wie manchmal behauptet wird; dennoch steigt der Kalorienbedarf im zweiten und dritten Trimester, sodass du deine Ernährung ein Stück weit umstellen solltest. Die empfohlene Makronährstoffverteilung sieht wie folgt aus:
40 bis 50 % vollwertige Kohlenhydrate (z.B. Kartoffeln, Hafer, Vollkornreis und andere Vollkornprodukte)
30 bis 35 % (vorwiegend pflanzliche) Fette (z.B. Rapsöl, Walnussöl und Nüsse)
20 bis 25 % Proteine (z.B. Milchprodukte, Hülsenfrüchte, gekochte Eier und mageres Fleisch)
Zusätzlich solltest du täglich mindestens 30 Gramm Ballaststoffe zu dir nehmen.
Zum Vergleich: Für nicht schwangere Menschen mit Diabetes Typ 1 empfiehlt sich eine Verteilung von 50 Prozent Ballaststoffen, 25 Prozent Kohlenhydraten sowie 25 Prozent Fetten und Proteinen. Auf unserer Wissensplattform findest du mehrere informative Beiträge rund um die Ernährung mit Typ 1 Diabetes. Der Großteil der dortigen Tipps gilt genauso während der Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1.
Die Vorteile von Ballaststoffen für Schwangere mit Diabetes Typ 1
Ballaststoffe sind für Menschen mit Diabetes Typ 1 grundsätzlich enorm wichtig, weil sie helfen, den Blutzucker zu stabilisieren. Sie haben aber noch weitere Vorteile, von denen nicht zuletzt auch Schwangere profitieren: Ballaststoffe fördern eine gesunde Darmflora und beugen Verstopfung vor, die ansonsten während der Schwangerschaft häufiger auftritt. Zudem sorgen Ballaststoffe für langanhaltende Energie.
Reich an Ballaststoffen sind beispielsweise Vollkornprodukte wie Haferflocken, Vollkornbrot, Vollkornreis oder Vollkornnudeln, Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen und Bohnen, Nüsse, Samen und Samenprodukte sowie oftmals auch Gemüse und Obst, etwa Spinat, Brokkoli, Paprika, Beeren und Äpfel.
So einfach kannst du deine Ballaststoffzufuhr steigern:
Starte mit einem Haferflocken-Beeren-Müsli in den Tag.
Tausche Weißmehl- gegen Vollkornprodukte aus (Brot, Reis, Nudeln, etc.).
Reichere jede Mahlzeit mit einer Portion Gemüse an.
Iss täglich einen Apfel und eine Portion Nüsse.
Ballaststoffe binden Wasser. Deshalb solltest du viel Flüssigkeit zu dir nehmen. Wenn du gerade erst anfängst, dich ballaststoffreicher zu ernähren, kann es sein, dass du zunächst empfindlich auf die unverdaulichen Pflanzenbestandteile reagierst. Daher raten wir dir, die Menge langsam zu steigern, um Magen-Darm-Beschwerden zu vermeiden.
Konkrete Lebensmittelempfehlungen für schwangere Frauen – ob mit oder ohne Diabetes Typ 1:
3 Portionen Gemüse
2 Portionen Obst
2 Portionen Vollkornprodukte
2 Portionen Hülsenfrüchte
3 Portionen Milchprodukte
mindestens 2 EL pflanzliches Öl
mindestens 1,5 l Wasser und/oder ungesüßten Tee
Hier besonders wichtige Mikronährstoffe für die Zeit der Schwangerschaft und gute Quellen im Überblick:
Folsäure (Vitamin B9): Spinat, Brokkoli, Tomaten, Bananen, Eigelb
Weitere B-Vitamine: Fleisch und Fisch, Eier, Milchprodukte, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, grünes Gemüse
Eisen: Fleisch, Hülsenfrüchte (z.B. Linsen, Erbsen, Bohnen), Nüsse
Jod: jodiertes Speisesalz, fetter Meeresfisch (z.B. Lachs, Hering)
Kalzium: Milchprodukte, Kohl, Brokkoli, Lauch
Magnesium: Nüsse, Kerne und Samen, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, grünes Gemüse, Kartoffeln, Bananen, Beeren, Trockenfrüchte (z.B. Datteln und Feigen), Kakao und Bitterschokolade
Omega-3-Fettsäuren: fetter Meeresfisch, Walnussöl, Rapsöl, Nüsse
Folgende Lebensmittel und Ernährungsweisen solltest du hingegen meiden:
rohes/nicht durchgegartes Fleisch, rohen/nicht durchgegarten Fisch, Rohmilchkäse sowie rohe Eier und Produkte daraus, etwa Tiramisu (Gefahr für Infektionen wie Listeriose)
Haushaltszucker
Alkohol
Diäten und Fastenkuren
Ganz wichtig: Falls du Raucherin bist oder viel Alkohol trinkst, solltest du deinen Konsum unbedingt einstellen – einem guten Schwangerschaftsverlauf und der Gesundheit deines Kindes zuliebe.
Empfohlene Nahrungsmittelergänzungen für die Schwangerschaft
Ob mit oder ohne Diabetes Typ 1: Fachgesellschaften empfehlen allen Frauen, die ein Kind bekommen wollen, spätestens vier Wochen vor der Empfängnis bis zum Abschluss der zwölften Schwangerschaftswoche täglich mindestens 0,4 Milligramm Folsäure einzunehmen.
Zusätzlich empfiehlt sich während der Schwangerschaft die tägliche Einnahme von 0,1 bis 0,15 mg (100 bis 150 μg) Jod, um das Kind ausreichend mit dem Mineralstoff zu versorgen und Schilddrüsenkomplikationen vorzubeugen. Doch Vorsicht: Wenn du von einer Schilddrüsenerkrankung wie Hashimoto Thyreoiditis betroffen bist, solltest du vor einer Supplementierung mit Jod unbedingt deinen behandelnden Arzt oder deine behandelnde Ärztin konsultieren.
Apropos Schilddrüse: Eine ausreichende Versorgung mit Schilddrüsenhormon ist grundsätzlich sehr wichtig für die Entwicklung deines noch ungeborenen Kindes. Lass daher regelmäßig deine Schilddrüsenhormonwerte kontrollieren. Bei Bedarf verordnet dein Arzt oder deine Ärztin ein Schilddrüsenersatzhormon.
Solltest du aufgrund eines Indoor-Jobs Schwierigkeiten haben, täglich genügend Sonnen- bzw. Tageslicht zu tanken, kann die Einnahme eines Vitamin-D-Präparats sinnvoll sein, um einem Vitamin-D-Mangel vorzubeugen.
Prinzipiell wichtig: Besprich dich immer zuerst mit deinem Arzt oder deiner Ärztin, bevor du anfängst, Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.
Denk stets daran: Eine ausgewogene Ernährung mit allen wesentlichen Nährstoffen trägt zu einem stabilen Blutzuckerspiegel bei, der wiederum die Grundvoraussetzung für eine optimale Entwicklung deines Babys ist.
Extra 2: Bewegung und Sport – was ist möglich und sinnvoll?
Sport während der Schwangerschaft ist nicht nur möglich, sondern sinnvoll – aus mehreren Gründen:
Regelmäßige Bewegung hilft dir, deinen Blutzucker zu regulieren, was auch deinem Kind zugute kommt.
Sie wirkt außerdem körperlich und psychisch entspannend.
Allerdings solltest du darauf achten, dass die Art der Bewegung “schwangerschaftskompatibel” ist. Gut geeignet sind beispielsweise Spazieren, Wandern und zügiges Gehen sowie Radfahren, Schwimmen und moderates Fitnesstraining. Vermeide hingegen Sportarten mit hoher Sturz- oder Verletzungsgefahr. Auf Kontakt- und Kampfsport verzichtest du daher besser. Zu Kontaktsport gehören auch typische Mannschaftssportarten wie Fußball, Basketball oder Hockey. Wenn du im Verein spielst, muss dein Team während deiner Schwangerschaft eben erst einmal ohne dich auskommen.
Auf unserer Wissensplattform und in unserer kostenlosen Online-Schulung erfährst du mehr über Sport mit Diabetes Typ 1.
Geburt und Wochenbett – besondere Vorsichtsmaßnahmen
Nach neun intensiven Monaten, in denen du alles dafür getan hast, dass sich dein Kind in dir optimal entwickeln kann, ist es endlich soweit: Dein Nachwuchs kommt zur Welt. Im Folgenden gehen wir auf alles Wichtige rund um die Geburt ein, beispielsweise die Unterschiede zwischen einer Spontangeburt und einem Kaiserschnitt, das Insulinmanagement während der Entbindung und das Risiko für postpartale Blutzuckerschwankungen.
Geburtsplanung: Spontangeburt vs. Kaiserschnitt
Die Wahl zwischen Spontan- und Kaiserschnittgeburt ist individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab:
Größe des Babys: Durch hohen Blutzucker während der Schwangerschaft kann das Baby überdurchschnittlich groß und schwer sein und das Risiko für Komplikationen bei einer vaginalen Geburt erhöhen.
Gesundheitliche Verfassung der Mutter: Komplikationen wie eine Präeklampsie können einen Kaiserschnitt erforderlich machen.
Individuelle Situation: Je nach deiner individuellen Situation kannst du zusammen mit deinem Arzt oder deiner Ärztin sowie der Hebamme entscheiden, ob eine Spontan- oder Kaiserschnittgeburt sinnvoller ist.
Prinzipiell empfiehlt es sich für Schwangere mit Diabetes Typ 1, ihre Kinder in einem auf Risikoschwangerschaften und Frühgeburten spezialisierten Perinatalzentrum zu entbinden. Dort gibt es typischerweise eine angeschlossene Kinderklinik samt Neugeborenen-Intensivstation, sodass Mutter und Kind medizinisch umfassend versorgt und notfalls schnell vor Ort behandelt werden können. Wenn dein Baby beispielsweise unterzuckert das Licht der Welt erblickt, ist ein Perinatalzentrum darauf vorbereitet, ihm rasch intravenös Glukose zu verabreichen.
Blutzucker- und Insulinmanagement während der Geburt
Zu Beginn der Geburt deines Kindes sollten deine Blutzuckerwerte zwischen 90 und 126 mg/dl (5,0 bis 7,2 mmol/l) liegen. Bist du unterzuckert, kann das dazu führen, dass die Wehentätigkeit nachlässt. Wichtig ist, die Blutzuckerwerte während der Entbindung alle ein bis zwei Stunden zu kontrollieren und bei Bedarf zu korrigieren. Achtung: Während der Geburt nur kurzwirksames Insulin injizieren!
Besondere Situation: Falls deine Wehen so früh einsetzen, dass du mit Wehenhemmern behandelt werden musst, solltest du deinen Blutzucker ebenfalls genau beobachten und gegebenenfalls eingreifen, denn entsprechende Medikamente können den Stoffwechsel negativ beeinflussen.
Risiko für postpartale Blutzuckerschwankungen
Nach der Geburt müssen du und dein Kind gut überwacht werden. Da dein Insulinbedarf abrupt absinkt, hast du ein erhöhtes Risiko für eine Unterzuckerung. Somit gilt es deine Insulindosis wieder neu anzupassen. Hierbei dient der Bedarf, den du vor der Schwangerschaft gehabt hast, als Orientierungswert. Kontrolliere deinen Blutzucker mindestens alle vier bis sechs Stunden, auch nachts.
Sobald du anfängst, Milch zu produzieren, fällt dein Insulinbedarf wahrscheinlich noch weiter ab, sodass die Insulindosis erneut entsprechend adaptiert werden muss. Achte überdies darauf, dass du während des Tages ausreichend Kohlenhydrate zu dir nimmst, um nächtliche Hypos während oder nach dem Stillen deines Babys zu vermeiden. Kathi Korn hat uns im Interview berichtet, dass sie beim Stillen einen Liter Saft trinken musste, um nicht in den Unterzucker zu kommen. Das ist enorm viel – normalerweise reichen 50 bis 100 Milliliter.
Auch bei deinem Kind ist eine strenge Blutzuckerüberwachung an seinem ersten Lebenstag elementar, um rasch intervenieren zu können, falls eine Unterzuckerung auftritt. Die erste Messung sollte bereits ein bis zwei Stunden nach der Geburt erfolgen. Danach empfiehlt sich ein dreistündiges Intervall. Achte zwischen den Messungen auch auf mögliche sonstige Anzeichen für eine Hypo bei deinem Baby. Sind seine Blutzuckerwerte über mehrere Messungen hinweg stabil, kannst du durchatmen. Dennoch solltest du deinen Säugling auch nach dem ersten Tag hinsichtlich möglicher Unterzuckerungen gut im Auge behalten.
Stillen mit Typ 1 Diabetes
Wir haben es oben bereits angedeutet: Wie andere Kinder sollten auch Babys von Müttern mit Diabetes Typ 1 ganz normal gestillt werden. Lege dein Neugeborenes nach Möglichkeit schon etwa eine halbe Stunde nach der Entbindung zum Stillen an und danach alle zwei bis drei Stunden. Dies hilft den Blutzucker deines Kindes zu stabilisieren und Unterzuckerungen vorzubeugen. Stille dein Baby im Idealfall mindestens sechs Monate, um die Weichen für ein gesundes Leben deines Kindes zu stellen.
Falls dein Kleines anfangs noch nicht selbst saugen kann, ist es am besten, wenn du die Vormilch per Hand ausstreichst und deinem Baby über eine Pipette gibst. Lass dir bei Bedarf von der Hebamme helfen.
FAQ
Wo finde ich Erfahrungsberichte von betroffenen Frauen?
Erfahrungsberichte von Frauen mit Diabetes Typ 1, die schwanger sind oder waren, findest du unter anderem in Diabetes-Foren und sozialen Medien. Wir legen dir außerdem unser Interview mit Kathi Korn ans Herz. Die Powerfrau, die einst professionell und erfolgreich Tischtennis spielte, hat sogar ganze drei Schwangerschaften mit Diabetes Typ 1 durchlebt und bringt somit einiges an Erfahrung mit.
Gibt es auf Schwangerschaft spezialisierte Diabeteszentren? An wen wende ich mich am besten?
Es gibt Diabeteszentren, die auf Schwangerschaften spezialisiert sind. Wende dich am besten an ein sogenanntes Perinatalzentrum Level 1 oder 2. Dort erwartet dich ein erfahrenes Team aus DiabetologInnen und GynäkologInnen, die mit Risikoschwangerschaften und Frühgeburten vertraut sind und dich vom Kinderwunsch bis zur Geburt optimal betreuen können.
Kann ich wegen Diabetes frühzeitig in Mutterschutz gehen?
Die Mutterschutzfristen beginnen sechs Wochen vor und enden acht Wochen nach der Geburt. Bei einer Früh- oder Mehrlingsgeburt verlängert sich die Dauer nach der Entbindung auf zwölf Wochen. Bis inklusive zur 34. Schwangerschaftswoche können Schwangere ihrer beruflichen Tätigkeit normalerweise problemlos nachgehen – unabhängig davon, ob sie von Diabetes Typ 1 betroffen sind. Aber: Wenn die Beschäftigung die Gesundheit oder gar das Leben von Mutter und/oder Kind gefährdet, kann ein individuelles Beschäftigungsverbot greifen. ArbeitgeberInnen sind verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen für Arbeitsplätze von schwangeren und stillenden Frauen durchzuführen, um Gesundheitsrisiken zu minimieren. Während des Beschäftigungsverbots erhältst du deinen Lohn weiterhin in voller Höhe. Außerdem besteht während der Schwangerschaft bis vier Monate nach der Geburt ein Kündigungsverbot.
Tipp zum Abschluss
Dokumentiere deine Blutzuckerwerte, deine Ernährungsgewohnheiten, deine Bewegungseinheiten sowie andere relevante Werte während deiner Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1, um den Überblick zu behalten und sie auch deinem Diabetes-Team und deinem Frauenarzt oder deiner Frauenärztin zur regelmäßigen gemeinsamen Auswertung vorzulegen. Das kannst du handschriftlich in einem Heft oder digital auf deinem Laptop oder deinem Smartphone tun, eventuell mit einer entsprechenden App.