Diabetes am Arbeitsplatz

Freundliche Frau mit KollegInnen im Hintergrund

Diabetes gilt als Volkskrankheit. In Deutschland leidet ungefähr jede(r) Zehnte an Typ 2 oder - deutlich seltener - Typ 1 Diabetes. Das ist eine ganze Menge. Daher hat Diabetes am Arbeitsplatz eine hohe Relevanz. Umso wichtiger ist es, bestmögliche Arbeitsbedingungen für Betroffene zu schaffen und vor allem endlich die leidigen Stigmatisierungen zu überwinden, mit denen sich Menschen mit Diabetes bis heute konfrontiert sehen, obwohl sie faktisch längst überholt sind.

In diesem umfassenden Beitrag beleuchten wir die Situation von Menschen mit Diabetes in der Arbeitswelt. Wir gehen darauf ein, wie der Arbeitsalltag für Betroffene üblicherweise aussieht, welche Herausforderungen er mit sich bringt und wie diese am besten gemeistert werden können. Du erfährst auch, ob beziehungsweise wann du deinem Arbeitgeber oder deiner Arbeitgeberin von deinem Diabetes erzählen musst und wie die Erkrankung unter Umständen die Berufswahl beeinflussen kann.

Ein typischer Arbeitstag im Leben eines Menschen mit Diabetes Typ 1

“Ich stehe auf und richte mich im Bad her. Ich prüfe meinen Blut-, bzw. Gewebezuckerspiegel, schätze die Kohlenhydrat- sowie die Fett- und Proteineinheiten meines Frühstücks ab und spritze die entsprechende Insulindosis, bevor ich mein Müsli oder meine Brotscheiben und meinen Kaffee genieße. Anschließend bereite ich mir mein Mittagessen vor und fahre mit der Bahn zur Arbeit, wo ich ganz normal meine Aufgaben erledige. Wenn ich mit dem Fahrrad gefahren bin, esse ich noch eine Kleinigkeit, nachdem ich angekommen bin, um einer Unterzuckerung vorzubeugen.

Wir haben Mittagspause. Während meine Kollegen und Kolleginnen schon in den Pausenraum gegangen sind, sitze ich noch an meinem Arbeitsplatz und zücke meinen Insulinpen, um mir die auf meine vorgekochte Mahlzeit abgestimmte Insulinmenge zu spritzen. Dabei überlege ich, wie mein Nachmittag aussieht, ob ich mal wieder von Meetingraum zu Meetingraum renne, oder meine Zeit an meinem Arbeitsplatz verbringe. Je nachdem berechne ich die Insulinmenge. Danach schnappe ich mein Essen und begebe mich zu meinem Team. Wir essen zusammen und tauschen uns über alles Mögliche und Unmögliche aus, bevor es wieder an die Arbeit geht. Manchmal essen wir auch auswärts – das geht meistens gut, manchmal auch nicht. Anfangs fiel es mir noch schwer die Kohlenhydrate im Restaurant abzuschätzen, aber mit der Zeit klappt das immer besser.

Ich trage an meinem Arm einen CGM-Sensor unter der Haut. Dieser misst permanent meinen Gewebezucker und sendet mir alle paar Minuten den aktuellen Wert auf eine App auf meinem Smartphone. Dadurch habe ich meinen Blutzuckerspiegel praktisch ununterbrochen im Blick und kann im Falle einer drohenden Unter- oder Überzuckerung immer schnell reagieren. Generell bin ich gut eingestellt und somit im Arbeitsalltag kaum eingeschränkt.

Meine Vorgesetzten, Kollegen und Kolleginnen wissen Bescheid. Anfangs habe ich meinen Diabetes verheimlicht - aus Angst vor den Reaktionen und aus Sorge, meinen Job zu verlieren. Doch das Versteckspiel ist immer bedrückender geworden. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und daher in einer Mittagspause erklärt, dass ich mit Diabetes lebe. Schockierte Gesichter, viele Fragen. Aber jetzt ist die Krankheit für die anderen einfach ein Teil von mir.”

Wir haben für diese kurze Veranschaulichung bewusst das Best-Case-Szenario gewählt, weil wir der Meinung sind, dass es für jeden Menschen mit Diabetes genau so sein sollte! Gleichzeitig wissen wir natürlich, dass Diabetes am Arbeitsplatz für die Betroffenen teilweise mit erheblichen Problemen verbunden sein kann: Der ebenso möglichen Negativspirale aus Vorurteilen, Einschränkungen und psychophysischer Belastung widmen wir uns im Folgenden.

Work-Diabetes-Balance

Diabetes Dialog, 04. Mai 10 Uhr

Arbeitsbezogene Vorurteile gegenüber Menschen mit Diabetes und ihre Auswirkungen

“Sie fehlen häufig, kosten viel und fallen oft vom Dach”: Diese Vorurteile gegenüber Menschen mit Diabetes im Kontext der Arbeit halten sich immer noch hartnäckig, vor allem hier bei uns im DACH-Raum, wo Diabetes nach wie vor oft ein schlechtes “Selber-Schuld-Image” hat.

Viele ArbeitgeberInnen sehen Menschen mit Diabetes skeptisch bis ablehnend. Die Gründe dafür sind neben der eher negativen öffentlichen Wahrnehmung des Diabetes vor allem Halb- und veraltetes Wissen. Oft trauen PersonalentscheiderInnen Betroffenen weniger zu. Bis heute herrscht in einigen Köpfen die Vorstellung vor, Menschen mit Diabetes wären weniger diszipliniert und weniger leistungsfähig als Menschen ohne Diabetes und dazu ständig krank. KollegInnen tun sich zum Teil sehr schwer, mit Betroffenen umzugehen. Beispielsweise kann es manche Leute “unangenehm berühren”, wenn ein Mensch mit Diabetes in ihrer Anwesenheit Insulin spritzt.

Vielfach wissen Außenstehende nicht, wie sie sich der betroffenen Person gegenüber verhalten oder was sie sagen sollen. Das führt nicht selten zu Verunsicherung, die wiederum ablehnende Blicke und/oder unangemessene Kommentare nach sich ziehen und Missverständnisse begünstigen kann. 

Die Folge ist oft, dass sich der Mensch mit Diabetes mindestens unwohl und im schlimmsten Fall sogar ausgegrenzt und einsam fühlt. Ganz zu schweigen davon, was es bewirken kann, wenn jemand aufgrund des Diabetes in seiner Berufswahl eingeschränkt wird. Eingeschüchtert durch negative Erfahrungen in der Vergangenheit und/oder aus Angst, diskriminiert oder gar gekündigt zu werden, trauen sich viele Menschen mit Diabetes nicht, am Arbeitsplatz über ihre Erkrankung zu sprechen. Das sollte nicht so sein…

Wissenswertes rund um die Berufswahl für Menschen mit Diabetes

Bei der Berufswahl sollten die eigenen Fähigkeiten und Interessen an erster Stelle stehen. Das gilt für alle Menschen, auch solche mit Diabetes. Betroffenen sind fast alle Berufe frei zugänglich, sofern sie ihren Blutzucker gut im Griff haben.

Nur wenige Tätigkeiten gelten als problematisch für Menschen mit Diabetes. Dazu zählen Berufe, bei denen Betroffene im Falle einer schweren Unterzuckerung sich selbst und andere Personen gefährden könnten:

  • Arbeiten mit Absturzgefahr (z.B. Industrieklettern, Dachdeckern, Maurern)

  • Personenbeförderung (z.B. Straßenbahn-, U-Bahn-, Bus- oder TaxilenkerIn, PilotIn)

  • Berufe mit Überwachungs-/Aufsichtsfunktion unter alleiniger Verantwortung (z.B. Notarzt/-ärztin, Flugsicherung)

  • Arbeiten mit Waffengebrauch (z.B. Militär, Sondereinsatzkommando der Polizei)

  • Tätigkeiten im Überdruck (z.B. Berufstauchen)

Aber: Die genannten Berufsgruppen sind für Menschen mit Diabetes nicht per se ausgeschlossen, sondern schlicht kritisch. Meist sind ausgezeichnete und stabile Blutzuckerwerte eine Voraussetzung sowie eine Unbedenklichkeits- oder Eignungsbescheinigung der betreuenden ÄrztInnen.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass beispielsweise in England, Australien und den USA Menschen mit Diabetes Typ 1 nach einer umfassenden medizinischen Prüfung durchaus als PilotInnen arbeiten dürfen. Diese fortschrittliche Regelung gilt seit 2012. Deutschland hinkt dahingehend noch etwas hinterher. Doch wir sind zuversichtlich, dass sich dies in absehbarer Zeit zum Positiven verändern kann. Der maßgebliche Schritt in diese Richtung ist eine umfassendere und bessere Aufklärung der Bevölkerung im Allgemeinen und der Entscheidungsträger im Besonderen. (Quelle zu Piloten) 

Letztlich gilt es stets, die individuelle Situation zu betrachten. Betroffene, die im Umgang mit ihrem Diabetes gut geschult sind und technische Hilfsmittel wie kontinuierlich messende Gewebezuckersensoren (CGMs) nutzen, können das Risiko für Unterzuckerungen gering halten.

Einem Menschen mit Diabetes, der

  1. in der Lage ist, seine Nahrungs- und Insulinzufuhr selbständig an wechselnde Lebens- und damit einhergehend auch Arbeitsbedingungen anzugleichen,

  2. sie dabei stabil zu halten und

  3. die Blutzuckerkontrolle konsequent dokumentiert,

stehen nahezu alle Branchen und Berufe offen.

Wenn diabetische Folgeerkrankungen die bisherige Arbeit unmöglich machen

Folgeerkrankungen des Diabetes können dazu führen, dass die aktuelle Arbeit nicht mehr ausübbar ist. Hat beispielsweise infolge einer diabetischen Retinopathie (Erkrankung der Netzhaut) das Sehvermögen deutlich abgenommen, sollte man sich an den Betriebsarzt oder die Betriebsärztin wenden und gemeinsam mit ihm oder ihr überlegen, ob es Wege und Mittel gibt, die bisherige Tätigkeit fortzusetzen, oder ob eine Versetzung innerhalb des Unternehmens sinnvoll wäre.

Muss man dem Chef oder der Chefin vom Diabetes erzählen?

Grundsätzlich bist du nicht verpflichtet, deinem (potenziellen) Chef oder deiner (potenziellen) Chefin von deinem Diabetes zu erzählen - weder bei einem Bewerbungsgespräch noch im Falle eines bereits bestehenden Dienstverhältnisses. Wenn du dir sicher bist, dass der Diabetes deine Leistungsfähigkeit an diesem spezifischen Arbeitsplatz nicht beeinträchtigt, ist keinerlei Auskunft dazu erforderlich.

Du musst nur dann ehrlich über deinen Gesundheitszustand sprechen, wenn die Erkrankung Einfluss auf den fraglichen Job hat. In diesem Zusammenhang geht es primär um die möglichen Gefahren für dich selbst und für andere, wenn es bei der Arbeit zu einer schweren Unterzuckerung kommt (siehe Abschnitt zur Berufswahl).

Beim Bewerbungsgespräch sind Fragen nach der Gesundheit sowieso unzulässig - außer es liegt eine hohe Eigen- oder Fremdgefährdung vor, sodass für die Ausübung der jeweiligen Tätigkeit bestimmte gesundheitliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, beispielsweise in Gesundheitsberufen, Polizei, etc.

Aufklärung als entscheidender Schritt für ein angenehmes Arbeitsumfeld

Auch wenn es leichter gesagt als getan ist: Wir empfehlen dir, zumindest den Menschen in deinem engeren Arbeitsumfeld von deinem Diabetes zu erzählen. Du musst dabei natürlich nicht ins Detail gehen, wenn du das nicht willst. Zu deinem eigenen - körperlichen und psychischen - Wohl ist es jedoch sinnvoll, kurz zu beschreiben, was bei Diabetes im Körper passiert, welche Folgen die Erkrankung hat und wie dir die anderen in Notsituationen zielgerichtet helfen können. Durch den offenen Umgang mit deinem Diabetes demonstrierst du Selbstvertrauen und - was noch viel bedeutsamer ist - förderst das Verständnis dafür, dass du immer mal wieder Blutzucker messen und gegebenenfalls Insulin spritzen musst.

Diesbezüglich raten wir dir, die anderen zu fragen, ob es ihnen etwas ausmacht, wenn du die Messungen und Injektionen in ihrem Beisein vornimmst. Sollte es jemandem unangenehm sein, suchst du dir am besten einen geeigneten Rückzugsort für diese Maßnahmen. Rede eventuell mit deinem Chef oder deiner Chefin darüber.

Bevor du deine Vorgesetzten und KollegInnen aufklärst, solltest du erst einmal selbst umfassend über deinen Diabetes informiert sein. Dies ist schon allein deshalb elementar, damit du deine Therapie gut umsetzen und Warnsignale deines Körpers - insbesondere eine beginnende Unterzuckerung - richtig deuten kannst.

Wir raten dir, an einer Diabetes-Schulung teilzunehmen, wenn du gerade frisch diagnostiziert bist. Zusätzlich kannst du dich in Eigenregie mit deinem Diabetes-Typ auseinandersetzen, beispielsweise online oder mithilfe von Fachliteratur. Achte stets auf seriöse, vertrauenswürdige Quellen.

Wir wollen jedoch auch betonen: Du musst dich nicht als Mensch mit Diabetes outen, wenn du das nicht möchtest. Es ist deine Entscheidung. Aber: Wenn du das Gefühl hast, deinen KollegInnen nicht vertrauen zu können, solltest du vielleicht grundsätzlich darüber nachdenken, ob dir der Job auf lange Sicht wirklich gut tut. Denn Fakt ist: Gerade mit Typ 1 Diabetes kann es mitunter elementar sein, dass zumindest ein paar deiner KollegInnen Bescheid wissen - Stichwort diabetischer Notfall. Darauf kommen wir später noch genauer zu sprechen.

Kündigung wegen Diabetes?

ArbeitgeberInnen steht es nicht zu, jemanden allein wegen einer Diabetes-Diagnose zu kündigen. Dies ist nur zulässig, wenn

  1. dein Verhalten geschäftsschädigend ist und sich nach wiederholter Aufforderung sowie Abmahnung nichts ändert,

  2. du in der Vergangenheit über lange Zeit erkrankt warst, die Prognose für die Zukunft ebenfalls hohe Fehlzeiten aufzeigen, die ebenfalls geschäftsschädigend ist und die Belastung des Arbeitgebers nach Abwägung größer ist, als der Schaden durch den Jobverlust,

  3. dein Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen Kündigungen aussprechen muss und diese ausreichend sozialverträglich geprüft wurden.

Aber: Durch ein gutes Diabetes-Management lassen sich oft wiederkehrende diabetesbedingte Krankenstände verhindern.

Work-Diabetes-Balance

Diabetes Dialog, 04. Mai 10 Uhr

Umgang mit Blutzuckermessungen und Insulingabe am Arbeitsplatz

Als Mensch mit Diabetes hast du zwar kein Anrecht auf zusätzliche Pausen; allerdings darf der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin dir nicht verbieten, während der Arbeitszeit regelmäßig deinen Blutzucker zu messen, Insulin zu spritzen und bei Bedarf Zwischenmahlzeiten einzunehmen.

Musst du manuell Blutzucker messen und Insulin spritzen, ist es ideal, wenn du dafür im Betrieb einen geeigneten Rückzugsort zur Verfügung hast. Im Büro kann das der eigene Schreibtisch sein; bei Tätigkeiten draußen vielleicht eine vom Unternehmen gestellte portable Kabine oder das Auto. In jedem Fall muss der Ort die Möglichkeit bieten, die notwendigen Maßnahmen in Ruhe und hygienisch durchzuführen. Beispielsweise solltest du dir vor und nach dem Messen und Spritzen sinnvoll die Hände waschen oder desinfizieren können.

Was tun bei Blutzuckerschwankungen und in Notsituationen?

Die Blutzuckerwerte können vor allem bei Menschen mit Typ 1 Diabetes manchmal Achterbahn fahren; aber auch Betroffene von Typ 2 Diabetes sind dagegen nicht gefeit. Gerade bei der Arbeit ist ein schwankender Blutzucker nicht ungewöhnlich, vor allem, wenn die körperlichen und geistigen Anforderungen der Tätigkeit stärker variieren. Und die meisten Menschen haben mal mehr, mal weniger Stress, was den Blutzuckerspiegel immer beeinflusst.

Im besten Fall gelingt es dir, die Belastung für den jeweiligen Arbeitstag vorwegzunehmen und dich gezielt darauf einzustellen - hinsichtlich der Nahrungszufuhr und eventuell auch in Bezug auf die Insulindosis. Auf diese Weise lassen sich starke Blutzuckerschwankungen in der Regel verhindern. Prinzipiell ist elementar, dass du deinen Körper so gut kennst und mit deinem Diabetes so weit vertraut bist, dass du auf einen unvorgesehenen Abfall oder Anstieg des Blutzuckers rasch und richtig reagieren kannst. Das setzt neben Wissen auch Erfahrung und Routine voraus, die du dir mit der Zeit aneignest.

Bei allem Know-how und aller Vorsicht sind diabetesbedingte Notfälle am Arbeitsplatz trotzdem nie ganz auszuschließen. Beispielsweise kann es unter Zeitdruck durchaus passieren, dass du dich beim Abschätzen der Kohlenhydrateinheiten vertust und zu viel oder zu wenig Insulin spritzt, was möglicherweise Unter- oder Überzucker zur Folge hat. Deshalb solltest du für solche und andere kritische Situationen unbedingt vorsorgen. Das bedeutet konkret, dass du stets ein Notfallset griffbereit haben solltest. Zudem ist es wichtig, dass deine KollegInnen Bescheid wissen, wie sie dir beispielsweise bei einer Unterzuckerung helfen können.

Das Notfallset sollte folgende Utensilien beinhalten:

  • Traubenzucker

  • sonstige schnelle und flüssige Kohlenhydrate (z.B. Fruchtsaft)

  • Glukagon (als Spritze oder Nasenspray)

Wenn du Anzeichen einer Unterzuckerung - also Zittern, Schwitzen, Blässe, fahriges Auftreten bis hin zu einem stockenden Redefluss und einer generell verlangsamten Reaktionszeit - bei dir bemerkst, nimm sofort Traubenzucker oder andere schnelle Kohlenhydrate zu dir. Das Glukagon dient für eine schwere Unterzuckerung. Wenn du ohnmächtig wirst, kann eine informierte und geschulte Person aus deinem Arbeitsumfeld dir die Injektion oder das Spray verabreichen. Durch das Glukagon setzt dein Körper seine Zuckerreserven in der Leber frei. Dies führt dazu, dass dein Blutzucker wieder ansteigt.

Daran erkennst du, wie wichtig es ist, deinen Vorgesetzten und KollegInnen von deinem Diabetes zu erzählen, ihnen zu erklären, welche Symptome bei einer Unter- oder Überzuckerung auftreten, und sie anzuleiten, was sie in einer solchen Notsituation tun können, damit es dir rasch wieder besser geht. Abgesehen von der Soforthilfe sollten deine KollegInnen bei einer schweren Unterzuckerung unbedingt den Notruf wählen.

Unter- und Überzucker bei der Arbeit gezielt vorbeugen

Dank fortschrittlicher Medikamente und technischer Hilfsmittel - hier sind insbesondere die kontinuierlich messenden Gewebezuckersensoren (CGMs) in Kombination mit automatischen Insulinpumpen zu nennen - ist Diabetes heutzutage so gut behandelbar, dass sich Unter- und Überzucker weitgehend vermeiden lassen und die betroffene Person ihren Alltag - auch den beruflichen - oft ohne große Einschränkungen bewältigen kann.

Am wichtigsten ist ein gutes Diabetes-Management, mit dem es dir gelingt, die Time in Range - sprich die Zeit, in der dein Blutzuckerspiegel im gewünschten Bereich liegt - möglichst lang zu halten. Erfahre mehr dazu in unserem Artikel zu den Grundlagen des Diabetesmanagements.
Du solltest die am besten zu dir und deinen Bedürfnissen passende Diabetes-Technik nutzen, vor allem mit Typ 1 Diabetes. Je nachdem, welchen Beruf du ausübst, kann die Pen- oder die Pumpentherapie besser geeignet sein.

Wenn du einer sehr bewegungsintensiven Tätigkeit nachgehst, beispielsweise auf dem Bau, stört es dich eventuell, die ganze Zeit die Pumpe am Körper zu tragen. Bist du beruflich viel unterwegs, ohne dich bei der Arbeit selbst übermäßig verrenken zu müssen, kann die Pumpe hingegen gerade angenehmer sein als das Transportieren der Pens. Auch bei einem Job mit unregelmäßigem Tagesablauf bewährt sich die Pumpentherapie häufig, weil du deinen Blutzucker damit feinfühliger steuern kannst.

Allgemeingültige Regeln, welche Technik für welche Arbeit die richtige ist, gibt es allerdings nicht. Im Endeffekt kommt es darauf an, womit du dich am wohlsten fühlst. Mehr über die Vor- und Nachteile von Pens und Insulinpumpen sowie generell die Therapiemöglichkeiten bei Diabetes Typ 1 erfährst du auf unserer Wissensplattform.

Um Unter- und Überzucker bei der Arbeit vorzubeugen, solltest du zudem auf eine gute Pauseneinteilung achten und die Nahrungszufuhr - eventuell in Kombination mit der Insulininjektion - clever planen. Konkret bedeutet das:

  • keine zu langen Zeitspannen ohne Nahrungsaufnahme vergehen lassen

  • Mahlzeiten und Snacks nach Möglichkeit immer zur gleichen oder zumindest zu einer ähnlichen Zeit einnehmen

  • Kohlenhydrat-, Fett- und Proteinmengen stets auf die physische Belastung bei der Arbeit abstimmen

  • regelmäßig den Blut-, bzw. Gewebezucker messen

Der ideale Arbeitsplatz für Menschen mit Diabetes

Abschließend noch ein paar Gedanken dazu, wie ein idealer Arbeitsplatz für Menschen mit Diabetes aussieht.

  • Im Betrieb sollte eine offene Kommunikation möglich sein. Und im besten Fall zeigen sowohl Vorgesetzte als auch KollegInnen die Bereitschaft, Genaueres über Diabetes zu erfahren und zu lernen, wie sie Betroffenen helfen können.

  • ArbeitgeberInnen sollten Hilfe anbieten, sich aber nicht aufdrängen. Perfekt ist es, wenn sie Mitarbeitende mit Diabetes unter vier Augen fragen, ob sie Unterstützung wünschen, etwa in Bezug auf Arbeitsmittel oder flexiblere Pausenzeiten.

  • Prinzipiell sollten Vorgesetzte Verständnis für kurze Arbeitsunterbrechungen aufbringen und dies deutlich kommunizieren, damit Betroffene stressfrei Blutzucker messen, Insulin spritzen und bei Bedarf Zwischenmahlzeiten einnehmen können.

  • Im Betrieb sollten kühle Lagermöglichkeiten für das Insulin zur Verfügung stehen, beispielsweise ein Kühlschrank. Bestenfalls ist dieser Bereich auch nur für Mitarbeitende mit Diabetes zugänglich. Ansonsten empfiehlt es sich, ein Hinweisschild anzubringen, um zu vermeiden, dass Insulin in falsche Hände gelangt.

  • Praktisch ist es zudem, wenn es im Betrieb eine kleine Küche mit einer Kochstelle, Mikrowelle und Küchenwaage gibt. Dann können sich vor allem Menschen mit Diabetes Typ 1 ihre Mahlzeiten hin und wieder direkt vor Ort zubereiten oder zumindest aufwärmen.

  • Grundsätzlich sollte das Unternehmen gesunde, ausgewogene Essensoptionen anbieten, ob in der Kantine oder in Snackautomaten.

  • Auch Betriebssport und/oder Diensträder können förderlich sein - sowohl zur Vorbeugung von Diabetes Typ 2 als auch zur Steigerung der Lebensqualität von Mitarbeitenden mit diagnostiziertem Typ 1 oder Typ 2 Diabetes.

  • Idee für Betriebe: Wenn man bedenkt, wie viele Menschen von Diabetes betroffen sind, könnte es sinnvoll sein, einmal im Jahr eine allgemeine Diabetes-Einführung zu veranstalten, um alle Mitarbeitenden im Unternehmen für die Erkrankung zu sensibilisieren und Vorurteile von vornherein zu eliminieren. Dies würde es Betroffenen später erleichtern, sich zu “outen”. Zudem kann ein solcher Infotag potenziell gefährdeten MitarbeiterInnen helfen, Diabetes Typ 2 vorzubeugen.

  • Der oder die Betroffene, der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin sowie der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin sollten im stetigen Austausch sein.

  • Jeder Mensch, ob mit oder ohne Diabetes, sollte als Individuum betrachtet werden - ohne Vorurteile, ohne Stigmatisierungen. Es gilt mögliche Einschränkungen zu sehen, aber ebenso das berufliche Potenzial von Betroffenen anzuerkennen.

Am wichtigsten ist, dass jede(r) in jedem Betrieb versteht, dass Menschen mit Diabetes primär nicht Patienten, sondern eben Menschen sind, die sich wie die meisten ihrer Mitmenschen den täglichen beruflichen und privaten Herausforderungen stellen und sich bewähren müssen.

Diese Checkliste fasst noch einmal kompakt zusammen, was in Bezug auf Diabetes am Arbeitsplatz bedeutsam ist.

Wir wollen es noch einmal betonen: Ein gutes Diabetes-Management vorausgesetzt, können Betroffene die allermeisten Anforderungen des Berufslebens problemlos erfüllen.

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Diabetes-Dialog, 04. Mai 10 Uhr

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